Sanktion mit Hintertür
Von Reinhard Lauterbach
Der Stopp der Lieferung US-amerikanischer Aufklärungsdaten an die Ukraine hört sich nach mehr an, als er in Wahrheit bedeutet. Erstens sind sogenannte »defensive Daten« – etwa über anfliegende russische Raketen – davon ohnehin nicht betroffen. Zweitens erklärten ukrainische Militärs bereits, »statische Ziele« wie Fabriken oder Ölanlagen im russischen Hinterland würden sie auch aus eigener Kraft bombardiert bekommen. Militärisch einen Unterschied machten US-Aufklärungsdaten einzig für Schläge gegen russische Kommandozentralen und andere direkt militärische Infrastruktur.
Wenn das so ist, dann ist Trumps Stopp der Datenlieferung tatsächlich eine Geste gegenüber Russland, ebenso wie das offenbar bereits erteilte Agrément für den neuen russischen Botschafter in Washington. Eine Geste, aber eben auch nicht mehr. Denn die USA sind mit Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland im Geheimdienstverbund der sogenannten Five Eyes, was bedeutet: Was der eine weiß, wissen die anderen auch. Und wenn Trump Großbritannien – von dem die abweichende politische Absicht, was die Bejahung der Verlängerung des Krieges angeht, hinreichend bekannt ist – tatsächlich ausdrücklich verboten haben sollte, US-Daten an die Ukraine weiterzugeben, bleiben immer noch drei Mitglieder der angelsächsischen Fünferbande übrig, die das auch erledigen können. Vertrauen baut Trump so in Russland nicht unbedingt auf. Dabei hat Moskau die Wiederherstellung dieses Vertrauens ausdrücklich zur Voraussetzung für alle weitergehenden Vereinbarungen erklärt. Es bleibt also abzuwarten.
Im übrigen kreuzen britische Spionageflugzeuge über dem Schwarzen Meer sowie je ein französisches und italienisches im rumänischen Luftraum. Ob die Flieger die US-Satellitendaten in vollem Umfang ersetzen können, ist aus öffentlich zugänglichen Quellen nicht zu ermitteln. Doch völlig blind und taub bleibt die Ukraine offenkundig erst einmal nicht. Zumal Trump gleich dazugesagt hat, unter welcher Bedingung er bereit ist, sowohl die Waffenlieferungen als auch den Austausch von Daten aller Art wiederaufzunehmen – wenn die Ukraine sich bereiterklärt, ein neues Rohstoffabkommen zu unterzeichnen, das wesentlich weiter gehen solle als die Vereinbarung, die letzte Woche bekanntgeworden ist. Mit anderen Worten: Er macht die Unterstützung von Kiews Kriegsanstrengung von dessen ökonomischer Kapitulation vor dem Rohstoffhunger der USA abhängig. Die Ukraine lernt gerade auf die brutale Tour den Inhalt einer angelsächsischen Investorenweisheit: There is no free lunch. Geschenkt gibt’s nichts.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Thomas K. aus Cottbus (7. März 2025 um 14:38 Uhr)Der Stopp der Datenlieferung ist eine Geste gegenüber Russland? – Wohl kaum. In derselben Ausgabe der jW berichtet derselbe Reinhard Lauterbach, dass sich die Trump-Mannschaft zwecks Sondierungen bereits mit Timoschenko, Poroschenko und Klitschko trifft. Wer von diesen drei ist eine »Geste« an Russland? Ganz offensichtlich hat Trump mit dem Blick auf die Ukraine nur eines im Sinn, nämlich sich persönlich an Selenskij zu rächen, der als im Westen hochgejubelte Persönlichkeit im US-Wahlkampf bis zum Schluss seine Sympathie für Biden bzw. dessen designierte Nachfolgerin Harris bekundet hat. Da haben offensichtlich selbst die Mainstreammedien dem Grunde nach recht, wenn sie den Eklat im Weißen Haus als Inszenierung bloßstellen. Was diese allerdings mit der Schlussfolgerung verbinden, die dabei von Trump in seinem persönlichen Feldzug gegen Selenskij ausgesprochenen Tatsachen vom Schuldigen an Millionen Toten und Bestreben zur Auslösung eines dritten Weltkrieges wären deshalb falsch. Die einzige Geste von Trump gegenüber Russland kann ich darin erkennen, dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger und den wesentlichen anderen westlichen Regierungen überhaupt wieder einen Dialog aufnehmen will.
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