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Aus: Ausgabe vom 07.03.2025, Seite 15 / Feminismus
Kolumbien

»Die Botschaft lautet: Selbstschutz«

Karte zeigt Frauen unsichere Orte in Kolumbiens Hauptstadt. Ein Gespräch mit Quena Ribadeneira
Von Sara Meyer, Bogotá
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In Kolumbien sind Femizide nach wie vor ein Problem. Was sind die Hauptursachen dieser Gewalt, und welche politischen Maßnahmen dagegen setzen Sie ein?

Der Krieg in Kolumbien hat die strukturelle Gewalt auf die Frauen übertragen. Das beraubt uns der Freiheit zu lieben, uns zu kümmern und in Frieden zu leben. In Bogotá sehen wir leider, dass sich die Bedingungen verschlechtern und dass Schutzdiskurse oft nur leere Slogans bleiben. Von unserem Sitz im Stadtrat aus haben wir eine Karte entwickelt, um die Orte zu identifizieren, an denen Frauen besonderen Schutz benötigen.

Die Machokultur ist tief in der lateinamerikanischen Gesellschaft verwurzelt. Was machen Sie in Bogotá, um die sowohl kulturellen als auch strukturellen Formen des Machismo zu bekämpfen?

Geschlechtergerechtigkeit und die Anliegen von Frauen werden stark in Frage gestellt, weil das patriarchale System mit aller Macht verhindern will, dass wir Schutz, Führungsrollen und Handlungsfreiheit erhalten. Als Stadträtin habe ich die Priorisierung und den Schutz von Frauen, die sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß fortbewegen – hauptsächlich für Care-Arbeit –, vorangetrieben. Wer sich frei bewegen kann, hat auch einen besseren Zugang zu beruflichen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bereichen des Lebens. Deshalb ist der Schutz der Mobilität von Frauen ein wichtiger erster Schritt.

Was ist in diesem Jahr in Bogotá anlässlich des Weltfrauentags geplant? Und wie nutzen Sie diesen, um Ziele und Herausforderungen des Feminismus sichtbar zu machen?

Feminismus ist ein dialektischer Prozess, er hängt nicht von einzelnen Veranstaltungen oder Tagen ab. Es ist eine tägliche, kontinuierliche Aufgabe – in der Familie, mit Freunden und Kollegen. Jeden Tag setze ich als Politikerin die Themen und Bedürfnisse von Frauen auf meine politische Agenda. Deshalb schenken wir der Hauptstadt Kolumbiens am 8. März eine Karte, die die Stadtverwaltung bisher nicht erstellen konnte: eine Karte, die die gefährlichsten Orte für Fußgängerinnen und Radfahrerinnen aufzeigt und auch Gewaltstatistiken sichtbar macht. Mit diesem Projekt wollen wir den Frauen der Stadt zeigen, dass wir Forderungen stellen, aber auch handeln können. Die Botschaft lautet: Selbstschutz und das Einfordern eines Wandels. Damit bringen wir die Dinge ins Rollen.

Welche Projekte oder Initiativen haben Sie in diesem Jahr geplant? Welche Themen stehen besonders im Mittelpunkt?

Mein Hauptziel in diesem Jahr sind Frauen, die Care-Arbeit leisten, und Frauen mit vielfältigen Identitäten. Einerseits werden wir ein Projekt vorstellen, um ein öffentliches Fahrradsystem zu etablieren, das die Mobilität für Care-Arbeit unterstützt – Fahrräder mit Sitzen für den Transport von Kindern und Gepäck. Außerdem wollen wir vergünstigte Tarife für alleinerziehende Frauen einführen. Nicht zuletzt werden wir ein Projekt vorlegen, das die Stadtverwaltung verpflichtet, in allen Abteilungen Mindestquoten für die Einstellung von Transfrauen festzulegen, da sie die größten Hürden beim Zugang zum Arbeitsmarkt erleben.

Was ist Ihre wichtigste Botschaft am Weltfrauentag? Wie können Frauen dazu beitragen, den Kampf für Gleichberechtigung und Sicherheit voranzutreiben?

Ich möchte allen Frauen Kolumbiens und Bogotás mitteilen, dass wir zwar die Barrieren der Diskriminierung und des Machismo überwunden haben. Jetzt ist es aber unsere Aufgabe, weiter voranzuschreiten, den Dialog zu suchen und Räume zu schaffen, damit die Gesellschaft und das Land verstehen, dass wir Potential und Fähigkeiten besitzen, um mehr Wohlstand und Lebensqualität in unsere Gesellschaft zu bringen. Der wichtigste politische Akt heute ist es, nicht zu schweigen und zu verstehen, dass wir Frauen die gleiche kreative Kraft und das gleiche Potential haben wie Männer.

Quena Ribadeneira ist Stadträtin in Bogotá.

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