Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 08.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Kurs auf das Gemetzel

EU-Gipfel beschließt Hochrüstung
Von Jörg Kronauer
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Portugals, Polens und Ungarns Premierminister, Luis Montenegro, Donald Tusk und Viktor Orbán, am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Brüssel

Die Zahl erschlägt. 800 Milliarden Euro will die EU in die Auf-, ach was: in die Hochrüstung des Kontinents investieren; das ist erheblich mehr als das Eineinhalbfache des gesamten aktuellen Bundeshaushalts, die Ausgaben für Renten, Soziales, Bildung, Infrastruktur, Gesundheit und alles weitere inklusive. Für die kommenden Jahre gibt es – das ist nun klar – nur eine einzige Priorität: den Krieg finanzieren, der zur Zeit in der Ukraine geführt wird, und zugleich den nächsten vorbereiten, den ganz großen Krieg. Vielleicht wäre es den Staats- und Regierungschefs tatsächlich lieber, wenn gelänge, was der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Rande des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel als bevorzugtes Ziel genannt hat: den Rüstungswettlauf so stark zu eskalieren, dass Russland nicht mehr mithalten kann, dass es sich totrüstet wie einst die Sowjetunion. Doch auch wenn dem so wäre – das ist egal. Denn wer Billionen in Waffen steckt – die 800 Milliarden kommen ja zu den längst schon erdrückenden Militäretats hinzu –, nimmt mit Höchsttempo Kurs auf das Gemetzel, auf das Abschlachten, den millionenfachen Tod.

Damit wäre die Orientierung der europäischen Bourgeoisie hinlänglich benannt, die sich einst, ihrer lange Zeit mächtigen Position in der Welt allzu gewiss, zynisch »Friedensmacht« nannte, die nun aber, nicht bereit, ihren langsamen Abstieg zu akzeptieren, ihren wahren Charakter offenbart. Man sollte dennoch, aller irren Gefährlichkeit der Situation zum Trotz, nicht erstarren. Zum einen besteht, wenn die Herrschaft den Krieg mutwillig in Kauf nimmt, die einzige Chance auf ein erträgliches Leben darin, sich querzustellen. Zum anderen steht die scheinbare Allmacht der europäischen Kriegstreiber womöglich auf tönernen Füßen. Dass die EU nicht schon längst in dem Maße hochgerüstet ist, wie sie es jetzt werden will, das hat Gründe. Einer von ihnen besteht darin, dass die nationalen Bourgeoisien stets eifersüchtig darum kämpften, gegenüber der Konkurrenz im Nachbarland die Nase vorn zu haben, und sich gegenseitig blockierten. Kann man sich vorstellen, dass Berlin sich einem von Paris kontrollierten Nuklearschirm unterstellt wie aktuell der atomaren Schutzmacht USA? Kann man sich vorstellen, dass Frankreich die alleinige Verfügungsgewalt über die Bombe teilt? Zweimal: nein.

In der EU steht die Herrschaft in ihrer Hochrüstungstollwut sogar vor mehr Problemen, als ihr lieb sein kann. Nicht das Geringste unter ihnen ist, dass den Großteil der 800 Milliarden Euro die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene in Form von Schulden aufbringen sollen. Einige sind aber schon so stark verschuldet, dass sie ohnehin darauf achten müssen, nicht in eine Schuldenkrise abzustürzen – Italien etwa, das sich bereits sorgt, wenn es neue Rüstungskredite aufnehme, könnten diese das Fass zum Überlaufen bringen. Andere sind in einer ähnlichen Lage. Dass die EU Russland totrüstet und nicht sich selbst, ist noch lange nicht gesagt.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (10. März 2025 um 13:17 Uhr)
    »Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land! Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie. Diesen Feind im eigenen Lande gilt’s für das deutsche Volk zu bekämpfen, zu bekämpfen im politischen Kampf, zusammenwirkend mit dem Proletariat der anderen Länder, dessen Kampf gegen seine heimischen Imperialisten geht.« (Flugblatt Mai 1915, in: Karl Liebknecht, Ausgewählte Reden und Aufsätze, Berlin 1952, S.296-301.)
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. März 2025 um 11:46 Uhr)
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  • Leserbrief von Raimon Brete aus Chemnitz (10. März 2025 um 07:47 Uhr)
    Kriege lösen keine Probleme nachhaltig. Sie bringen aber unzähligen Menschen Not, Leid, körperliche Beschädigungen oder aber auch den Tod. Wir wissen es seit Jahrhunderten und trotzdem wird in diesen tödlichen Konflikten zuerst nach Begründungen für ein weiteres Draufhauen gesucht und alle Anstrengungen der meisten Politiker richten sich auf Machtdominanz, Rüstung und Waffenlieferungen. Untrüglicher Eindruck – weder in Deutschland noch in der Europäischen Union wird gegenwärtig ernsthaft nach diplomatischen Lösungen im mörderischen Konflikt gesucht. Dabei ist überdeutlich erkennbar, dieser Krieg wird angesichts der Potentiale und Ressourcen auf beiden Seiten noch Jahre dauern oder in einer weltweiten Katastrophe enden. Dem muss baldigst ein Riegel vorgeschoben werden und die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete EU muss dabei endlich mit allen zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln vorangehen. Die verhängten Sanktionen, die Strafbefehle des Internationalen Gerichtshofes zeigen kaum Wirkung und erweisen sich samt der geifernden und inhaltsleeren Reden von Politikern somit als »Papiertiger« oder richten sich letztendlich gegen unser Land selbst. Einseitige Schuldzuweisungen sowie parteiische Berichte fördern nur Polarisation und stehen einer möglichen Verständigung entgegen. Die UNO versagt augenscheinlich leider auch. Gemessen an ihrer Charta und den gewaltigen personellen sowie finanziellen Mitteln sollte sie aktiv friedensstiftend wirken. Deren Mitglieder sollten in der Vollversammlung nicht nur salbungsvolle Reden halten, sondern tatsächlich nach Konfliktlösungen suchen.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (9. März 2025 um 13:28 Uhr)
    Nach meiner Kenntnis der Geschichte hat es noch nie eine Waffe gegeben – ganz gleich wie gefährlich und zerstörerisch(!) –, die lediglich produziert, jedoch nie zum Einsatz gekommen wäre. Bei einer permanenten Hochrüstung solchen gigantischen Ausmaßes an Zerstörungspotenzial stellt sich immer weniger die Frage, ob es zu einem Krieg kommen wird, als vielmehr wann. Das dürfen wir niemals zulassen! Schließlich tragen wir nicht nur die Verantwortung für die Gegenwart, sondern ebenso für die Generationen, die noch nach uns kommen werden.
  • Leserbrief von Bernd Jacoby aus Wiesbaden (8. März 2025 um 10:40 Uhr)
    Aus meinem Leserbrief an die jW vor etwas mehr als 3 Jahren, am Tag nach der Zeitenwende-Rede von BK Scholz: »Wie befreit! Deutschland hat sich zum Ende des Februar 2022 von allen wirksamen inneren und äußeren Limitierungen befreit, die aus dem 8. Mai 1945 resultieren, politisch-ideologisch und in Beschlüssen zur Aufrüstung und Positionierung in der Welt. Es reiht sich damit in den Kreis der altneuen West-Imperialisten USA, UK und Frankreich ein, die jede Möglichkeit nutzen, um erneut zu einer Weltordnung nach ihrem Bilde und mit ihrem Anteil zu gelangen. Wie schon 1914 und später ist nahezu ein Zustand erreicht, bei dem Parteien nicht mehr erkennbar sind. Deutschland will auf diesem Weg den Rückstand seiner Position einholen, die dem Ergebnis des Zweiten Weltkriegs geschuldet war. Der Ton wird von radikalisierten Freiheitskämpfern des Ostens vorgegeben, die man selbst befördert und eingesetzt hat. Tränenreich wird Kriegsstimmung heraufbeschworen und der Krieg mit Waffenlieferungen angeheizt.«
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (7. März 2025 um 20:34 Uhr)
    Zur Charakterisierung der EU-Führungsriege(n) fällt mir nur der Spruch ein: Dumm geboren und nichts dazugelernt. Leider haben auch die von selbigen Beherrschten nichts (oder kaum was) dazugelernt. Die nächsten Tage werden zeigen, wie viele aus den Massen schlauer als die Eliten sind.

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