Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 08.03.2025, Seite 2 / Inland
Rüstungsspirale in der EU

»Die dringlichste Aufgabe ist der Protest dagegen«

Linke-Beschluss übernimmt Deutung vom Ausscheren der USA. Partei soll in Rüstungsdebatte offensiv eingreifen. Ein Gespräch mit Naisan Raji
Interview: Milan Nowak
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SPD und Union wollen ab nächster Woche kurz vor Legislaturende neue Sondervermögen für Rüstung und Infrastruktur durch den Bundestag bringen. Vor welcher Herausforderung steht die Linkspartei in dieser Lage?

Angesichts unseres Wahlerfolgs von fast neun Prozent bei der Bundestagswahl müssen wir offensiv in die Debatte um diese Aufrüstungsspirale eingreifen. Mit den Milliardenkrediten soll einer umfassenden Hochrüstung der Weg geebnet werden. Das Vorhaben sieht eine Umgehung der Schuldenbremse bei sogenannten Verteidigungsausgaben über ein Prozent des BIP vor. Damit ist der Aufrüstung nach oben keine Grenze gesetzt. Gleichzeitig soll es ein Sondervermögen von 500 Milliarden für Infrastruktur geben. Sie wären über zehn Jahre gestreckt. 100 Milliarden sollen an die Länder gehen.

Es gibt dort einen enormen Investitionsstau, allerdings ist fraglich, ob die Milliarden in zivile Infrastruktur fließen oder in deren Kriegsertüchtigung: Soll in Bahnschienen, Brücken und Straßen investiert werden, damit wir unsere Familien und Freunde besuchen können und besser zur Arbeit kommen – oder damit Truppen und Panzer transportiert werden? Flankiert wird das Vorhaben auch von der Mobilisierung enormer Summen in der EU: Mit dem Paket »Rearm Europe«, vorgestellt von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der Bundesvorstand Ihrer Partei fordert in einem Beschluss eine Abschaffung der Schuldenbremse sowie eine Friedensinitiative zwischen der Ukraine und Russland unter Einbindung der »BRICS plus«-Staatengruppe. Worin bestehen Unklarheiten?

Wir fordern die Abschaffung der Schuldenbremse seit ihrer Einführung. Sie hat öffentliche Investitionen verhindert und Privatisierungen verstärkt. Der Beschluss kombiniert mit der Bekräftigung dieser Forderung auch eine Stellungnahme zu den geopolitischen Veränderungen seit den Verhandlungen zwischen den USA und Russland über den Ukraine-Krieg – verknüpft aber beide Fragen unzureichend miteinander.

Sie haben diesem Beschluss nicht zugestimmt. Was ist Ihre Kritik?

Die Reformdebatte um die Schuldenbremse muss in die sogenannte Zeitenwende eingeordnet werden. Die jetzigen Vorschläge von Union und SPD dienen der Aufrüstung. Zivile Investitionen spielen eine untergeordnete Rolle. Der Hochrüstungskurs von EU und Bundesrepublik wird mit den Entwicklungen im Ukraine-Krieg nach Amtsübernahme durch US-Präsident Donald Trump erklärt, die angeblich den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit erfordern. Gerade seit der öffentlichen Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij durch Trump erleben wir eine »Zeitenwende 2.0«. Mit den Behauptungen, die USA hätten das westliche Wertebündnis verlassen und Russland würde nach der Ukraine NATO-Staaten angreifen wollen, wird die Bevölkerung verunsichert und die Kriegsertüchtigung vorangetrieben.

Der Beschluss übernimmt die Deutung von einem Ausscheren der USA aus dem westlichen Konsens, obwohl die Bildung und Aufkündigung von Allianzen je nach eigenen Interessen die brutale Realität imperialistischer Politik ist. Die EU und die BRD nutzen diese Entwicklungen, um die Militarisierung voranzutreiben und die eigene Position zu stärken. Hier sorgt der Beschluss leider nicht für mehr Klarheit. Er orientiert auf Mitgestaltung der Reformierung der Schuldenbremse in Zeiten immer deutlicherer Kriegsvorbereitung. Deswegen habe ich mit anderen dagegen gestimmt.

Mit dem knapp verpassten Einzug des BSW in den Bundestag ruht viel Hoffnung auf der Linkspartei als friedenspolitische Kraft. Was muss sie tun, um dem gerecht zu werden?

Die immer höheren Milliardenforderungen für eine vermeintliche Verteidigungsfähigkeit und das Vorhaben von Union und SPD machen deutlich: Sie wollen eine neue Phase der Kriegsertüchtigung. Allein auf parlamentarischem Weg wird die Militarisierung nicht zu stoppen sein. Der Vorstoß, diese Fragen nun noch mit alten Mehrheiten beschließen zu wollen, obwohl wir mit einer Rekordwahlbeteiligung einen neuen Bundestag gewählt haben, zeigt, dass grenzenlose Aufrüstung im Zweifel auch ohne Wahrung demokratischer Fassade durchgesetzt werden soll. Darüber öffentlich aufzuklären und den Protest dagegen zu unterstützen, ist unsere dringlichste Aufgabe.

Naisan Raji ist Mitglied des Bundesvorstands der Partei Die Linke

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