Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 10.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Sorgen

Nervt langsam: Ärger

Von Marc Hieronimus
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Vielleicht lag es an den Batterien? Mit einem anderen Utensil konnte man durch Wände sehen

Reuter musste etwas unternehmen. Die Außerirdischen fingen an zu nerven. Er war sich noch gar nicht sicher, ob es sie wirklich gab. Sie besuchten ihn nur nachts, und oft war Frau Bongartz’ Zwiebelschnaps im Spiel. Er hatte ihnen sogar schon davon angeboten, aber außer dem Haarigen wollte niemand davon kosten. In der Zwischenzeit ließen sie jedenfalls überall ihren Kram rumliegen, und das war nicht ganz ungefährlich. Den ätzenden Körperflüssigkeiten konnte er noch mit Seife und Natron begegnen, wenn sie sich nicht als raffinierte Longdrinkzutaten eigneten, und die Kleidungsstücke brachte er einmal wöchentlich zum Altkleidercontainer. Mit ein wenig Geschick konnten sich die Bedürftigen aus den großen Sachen erstklassige Raumanzüge schneidern, anderes erinnerte stark an teure Damenunterwäsche.

Das Problem waren die kleinen Accessoires. Ein rosa Knüppel konnte als Fernbedienung durchgehen. Nur dass Reuter die passenden Geräte oder Gliedmaßen dazu fehlten. Nachdem er einmal eine halbe Stunde darauf herumgetippt hatte, fand er sich kurz im interstellaren Nichts, dann glücklicherweise auf seinem Sofa wieder, wo er offenbar eingeschlafen war. Vielleicht lag es an den Batterien. Mit einem anderen Utensil konnte man durch Wände sehen. Leider beschränkte sich der Effekt für menschliche Augen auf die Stellen mit Fenstern oder offenen Türen. Derlei Spielzeug war nicht einmal für den Elektronikhandel interessant. Wegwerfen mochte aber geradezu kosmische Umweltprobleme heraufbeschwören.

Reuter ließ aus Rom einen Exorzisten kommen, gab ihm Zwiebelschnaps und legte sich zu Bett. Am Tag darauf war der arme Mann verschwunden. Dann recherchierte er im Internet. 1,24 Fantastilliarden Seiten ging er sorgsam durch und konnte bald auf außerirdisch reden, kochen, lieben und aufs Klo gehen. Nur hatte er danach gar nicht gesucht.

Hilfe fand er schließlich in einem alten und kaum mehr beachteten Medium. Auf Rat mehrerer »Bücher« ließ er vor dem Schlafengehen wahlweise Pilze, Schnaps oder die schweren Speisen weg. Sein kleines Haus wurde gleich viel ordentlicher. Und statt der Außerirdischen kam jetzt Frau Bongartz öfter mal zu Besuch.

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