Militarisierung monströs
Von Daniel Bratanovic
Das ganz große Rüstungspaket kommt, und zwar schnell. Es sind monströse Summen, Kriegsmaterial im Umfang von hunderten Milliarden, potentiell ohne Obergrenze, begleitet von martialischen Tönen.
Union und SPD haben sich am Dienstag auf Milliardenkredite für Aufrüstung und Infrastruktur verständigt. Das teilten die Verhandlungsteams der Sondierungsrunden am Abend in Berlin mit. Zum einen solle die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für bestimmte Rüstungsvorhaben gelockert, zum anderen ein sogenanntes Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro geschaffen werden. Beide Beschlüsse, die jeweils einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, sollen noch vom alten Bundestag getroffen werden, da nach der Neukonstituierung des Parlaments eine solche Mehrheit nicht gewährleistet ist.
Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte an, dass der Bundestag noch in der kommenden Woche die entsprechenden Beschlüsse fassen solle. »Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes«, sagte Merz. CSU-Chef Markus Söder erklärte, mit der Einigung in der Finanzfrage habe die mögliche neue Regierung eine erste schwere Bewährungsprobe bestanden. Noch bevor Posten verteilt würden, werde für die Sicherheit des Landes gesorgt. »Wir senden ein Signal an Freunde und Feinde«, sagte Söder. »Deutschland ist da. Deutschland zieht sich nicht zurück.« Man werde alles tun, was nötig sei, um das Land zu schützen und zu stärken. »Wir rüsten komplett auf.«
Konkret sieht die Vereinbarung vor, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse so angepasst werden soll, dass Rüstungsausgaben ausgenommen sind, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll es keine Deckelung geben, ermöglicht werden damit also theoretisch unbegrenzte Kredite. Refinanziert soll diese jedes Maß sprengende Anschaffung von Kriegsgerät und die Bereitstellung von Kriegsinfrastruktur mit einem erhofften Wirtschaftswachstum, das wiederum mittels erweiterter Staatsschulden, nämlich dem Sondervermögen Infrastruktur zu generieren sei. Also nochmal: die schuldenbasierte Aufrüstung soll finanziert werden durch schuldenbasierte Investitionen in die Infrastruktur. Alles klar?
SPD-Chef Lars Klingbeil erklärte, es sei wichtig, dass »massiv« investiert werde, damit Deutschland wieder besser funktioniere. »Eine künftige Regierung muss den Verschleiß unseres Landes stoppen.« Die Dringlichkeit, die marode Infrastruktur zu erneuern, zieht kaum jemand in Zweifel. Unerwähnt lässt Klingbeil aber, dass gemäß der Logik einer »militärischen Mobilität« Straßen, Schienen und Häfen des Landes in Schuss sein müssen. Auch hierbei hat das Militärische offensichtlich Vorrang.
Söder hatte bereits am Wochenende im Interview mit der Welt am Sonntag erklärt, um welchen Umfang der Bestand an Kriegsgerät vergrößert werden müsse: »Die Bundeswehr braucht eine Vollausstattung. Dazu gehören eine Drohnenarmee mit 100.000 Drohnen, 800 neue Panzer sowie 2.000 Patriots und 1.000 Taurus nur für Deutschland als ein Schutzschild in der Art des ›Iron Dome‹«.
Auch die Deutsche Nachrichtenagentur weiß offenbar ziemlich genau, wie das Arsenal der Totmacher künftig zu bestücken ist: »Eine kriegstüchtige Bundeswehr, die Angreifer abschreckt und in einem Kampf bestehen kann, benötigt eine Vollausstattung über 100 Prozent hinaus (›Ersatz‹), eine umfangreiche Luftverteidigung und Cyberabwehr und eine verbesserte, eigenständige Beobachtung möglicher Gegner (›Aufklärung‹). Zudem weitreichende Präzisionswaffen (›deep precision strike‹), Vorräte an Munition, eine Art Drohnenarmee sowie einen funktionierenden Heimatschutz über die bislang geplante neue Division hinaus.«
Abgesehen von der vorrangigen Tatsache, dass ein waffenstarrendes Deutschland immer eine Gefahr für die Welt ist, stellt sich die Frage, wer die Zeche zumindest langfristig zu zahlen hat. Auch wenn jetzt die SPD laut Klingbeil in weiteren Gesprächen darauf drängen wolle, dass Familien entlastet werden, dass die Renten stabil sind und es ein gerechtes Steuersystem gebe, bleibt der Fakt, dass die Kriegsgerätekredite früher oder später getilgt werden müssen – und zwar vor allem aus Mittel aus dem Bundeshaushalt, weshalb bei anderen Etatposten zu kürzen sein wird. Allerspätestens dann ist die ganze Angelegenheit eine direkte klassenpolitische Auseinandersetzung. Besser, der Widerstand gegen die monströse Militarisierung dieses Landes beginnt jetzt.
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