»Die bürgerliche Frauenbewegung lassen sie in Ruhe«
Interview: Annuschka Eckhardt
Ihr Aktionsbündnis 8. März mobilisierte zum Internationalen Frauenkampftag in Stuttgart. Was sind Ihre Forderungen?
Wir protestieren – wie jedes Jahr – gegen Gewalt an Frauen, partnerschaftliche und familiäre Gewalt, gegen sexualisierte Gewalt und gegen Femizide. Mittlerweile gibt es in der BRD durchschnittlich jeden Tag einen Femizid. Auch andere geschlechtsspezifische Gewaltformen nehmen zu – die Politik antwortet darauf mit rassistischer Hetze. Wir gehen gegen Diskriminierung auf die Straße, aber auch ganz konkret, um gegen die Kriegsvorbereitungen zu kämpfen. Diese bedeuten im Umkehrschluss, dass bei den sozialen Leistungen gespart wird. Davon sind besonders Frauenprojekte betroffen. Frauenhäuser und Frauenschutzprogramme, die kein Geld mehr bekommen oder die gar nicht erst eingerichtet werden. Deswegen wenden wir uns gegen beides, gegen diese Kriegstreiberei und Aufrüstung, aber auch gegen die Einschränkungen von der sozialen Daseinsvorsorge. Weitere Themen wie gerechtere Sorgearbeit und bessere Bezahlung sind Teil unseres Protests.
Stichwort Gender-Pay-Gap – schon am Freitag haben Sie zum Protest aufgerufen …
Genau, wir waren am 7. März mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aus den sogenannten frauenspezifischen Berufen zusammen auf der Straße. 4.000 Personen haben in Stuttgart gestreikt, für bessere Bezahlung und höhere Entgelte – gerade nach den vielen Reallohnsenkungen, die wir die letzten Jahre hatten – und für mehr freie Tage zur Entlastung. Es ist ein hoher Leistungsdruck und eine hohe Arbeitsdichte im öffentlichen Dienst.
Altersarmut ist für Frauen ein riesiges Problem: Fast jede zweite Rentnerin in Deutschland bezieht nach 45 Versicherungsjahren weniger als 1.300 Euro Rente im Monat. Das betrifft rund 800.000 Frauen. Im Durchschnitt bekommen Frauen monatlich 500 Euro weniger Rente als Männer.
Wie kam es, dass nicht nur in Berlin, sondern auch in Stuttgart der Frauenkampftag zum Frauenbekämpfungstag wurde?
Auch wenn die Polizei in Stuttgart nicht so in die Menge der Demonstrantinnen geknüppelt hat wie in Berlin, waren auch wir von staatlicher Willkür betroffen. Wir vom Gewerkschaftshaus hatten in Zusammenarbeit zwischen unserem Aktionsbündnis und Verdi-Beschäftigten ein großes Banner erstellt mit der Aufschrift: »Femizide stoppen – Wir wollen uns lebend.« Dieses Transparent wurde aus einem Fenster im sechsten Stock heruntergelassen. Die Frauen trugen lilafarbene Halstücher, manche auch über Mund und Nase. Das missfiel den Polizeibeamten, und sie zogen die Frauen raus und kontrollierten sie. Auch von der Pyrotechnik fühlten sie sich gestört und schoben die »öffentliche Sicherheit« vor. Laut unseren Zählungen nahmen am Frauenkampftag 5.000 Personen an unserer Demonstration teil. Das ist für unsere Stadt eine hohe Teilnehmerzahl für einen klar antikapitalistischen Protest. Die polizeiliche Repression hat stark zugenommen, seitdem unser Bündnis die Demonstration organisiert. Die bürgerliche Frauenbewegung lassen sie in Ruhe.
Auch die Sanitäter sollen gestört worden sein.
Im Anschluss an eine vorübergehende Festnahme kollabierte eine Person. Demosanitäter liefen zu ihr und versorgten die Person. Personen, die die Betroffene kannten, wollten ihr Beistand leisten. Dann kam es zu einer erneuten Eskalation durch die Polizei: Sie begann, die Bekannten der Kollabierten wegzuschubsen. So eine Schikane während eines medizinischen Einsatzes ist absolut unverhältnismäßig und sogar gefährlich. Die Polizei behauptete nachher dreist, sie hätte die kollabierte Demonstrantin versorgt.
Welche Strukturen begünstigen, dass Frauen von seiten des Staates Gewalt widerfährt, während sie gegen Gewalt an Frauen protestieren?
Letztendlich liegt es an unserem kapitalistischen System. Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen wird strukturell gefördert. Linke Bewegungen werden von Repressionen überhäuft, etwa in bezug auf Palästina-Solidarität. Da wird versucht, vom Staat so einzuwirken, dass diese Gruppen diskriminiert und mit Strafen verfolgt werden, um sie eben zu schwächen.
Christa Hourani ist Pressesprecherin des Aktionsbündnisses 8. März
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