Anleitung zum Macherstaat
Von Max Grigutsch
Es wirkt wie ein Testballon für die Vorhaben der neuen Regierung. Unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die »Initiative für einen handlungsfähigen Staat« mehrere Monate lang »mit rund 50 Expertinnen und Experten in sieben Arbeitsgruppen darüber debattiert, wie sich unser Gemeinwesen modernisieren lässt«. So heißt es in einem Zwischenbericht, der am Mittwoch in der Bundespressekonferenz der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Mit 30 Vorschlägen soll die lahmende BRD wieder zu einem effizienten Macherstaat werden. Zentral dabei ist der Aufbau eines neuen, eigenständigen Ministeriums für Digitales und Verwaltung.
Federführend kommen die Exbundesminister Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD), der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, und die Medienmanagerin Julia Jäkel zu dem Schluss, dass nichts Geringeres als eine »Staatsreform« nötig sei, um den deutschen Staat effektiver zu machen. Ein Alleinstellungsmerkmal des Gremiums sei unter anderem, dass die Initiatoren »keine Stakes« – also keine Eigeninteressen – vertreten würden, bemerkte Voßkuhle als erster Redner am Mittwoch in Berlin. In technokratischer Anmut richtete man das Hauptaugenmerk dementsprechend nicht auf einzelne Sachfragen, sondern auf »den Maschinenraum das Staates«, so der Jurist weiter.
Dort gebe es Handlungsbedarf. Ein neues Ministerium müsse her, das die Digitalisierung mit Fragen der Verwaltung bündelt – »schlank, aber mit Entscheidungsmacht«. Aus diesem Hause solle eine »grundlegende Verwaltungsreform« erarbeitet werden. Zudem würde »umfassende Zuständigkeit für Personal« und »ressortübergreifende Personalplanung« in dem neuen Ministerium angesiedelt werden. Ob sich die Verfasser vom US-amerikanischen »Department of Government Efficiency« (kurz DOGE) unter Führung von Techmilliardär Elon Musk haben inspirieren lassen, lässt sich nur vermuten. Stimmen aus der Wirtschaft fordern das allerdings immer wieder. »Was Europa braucht, ist ein DOGE«, ließ sich etwa der Telekom-Chef Timotheus Höttges Anfang März vom Handelsblatt zitieren.
Vorschläge, um die strauchelnde deutsche Wirtschaft von staatlicher Seite zu unterstützen, finden demnach auch umfassenden Eingang in das Papier. Zum Zwecke der Wettbewerbsfähigkeit brauche der Staat laut Jäkel einen »neuen Ansatz im Verhältnis zu seinen Bürgerinnen und Bürgern«. Gemeint ist ein Abbau der Rechenschaftspflichten, die Unternehmen an staatliche Stellen leisten müssen, Stichwort Bürokratieabbau. Der Staat solle einen »Vertrauensvorschuss« leisten und nur im Falle eines Verstoßes zu härteren Sanktionen greifen, erklärte die Verlegerin auf der Pressekonferenz. »Wir müssen weg von einer Misstrauenskultur, hin zu einer Vertrauenskultur«, sagte auch Voßkuhle. Untätig bleiben soll der Staat allerdings nicht, denn er soll als »strategischer Investor« auch in risikoreiche, junge Unternehmen investieren, um Innovationen zu stärken, führte Jäkel aus.
In Zeiten der Militarisierung darf auch das Thema »Sicherheit« nicht außen vor bleiben. Die vier Autoren sprechen sich für eine allgemeine Dienstpflicht aus, die auch in der Bundeswehr absolviert werden könne. Schon am Dienstag hatte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), die angeblichen Personalprobleme beim deutschen Militär beklagt. Jetzt legte das Expertengremium passgenau nach. Um eine »Gesamtverteidigung« zu gewährleisten müsse zudem die militärische und zivile Verwaltung zusammengeführt werden und die Bundeswehr im Katastrophenfall auch im Landesinneren einsatzfähig werden.
Im Bund solle ein »Nationaler Sicherheitsrat« eingerichtet werden, um eine »Gesamtstrategie« zu entwickeln. Ohnehin, so de Maizière, das von CDU/CSU und SPD ins Auge gefasste Sondervermögen könne ohne Staatsreform nicht wirksam werden. Ohne Veränderung der Planungs- und Genehmigungsverfahren könnten die Milliardeninvestitionen »nicht abfließen«. »Unterstützt« wird die Arbeit auch von der Fritz Thyssen Stiftung, benannt nach dem Großindustriellen des Thyssen-Konzerns, heute Teil des Kriegsprofiteurs Thyssen-Krupp.
All das sei eine »Nagelprobe für unsere Demokratie«, ergänzte der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück. Ohne Handlungsfähigkeit gebe es kein Vertrauen in die Demokratie, betonte auch Voßkuhle.
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