Ford soll beerdigt werden
Von Susanne Knütter
Die Tagesordnung der Betriebsversammlung war klar. Erst spricht der Arbeitsdirektor der Ford-Werke, dann der Betriebsrat, die Gewerkschaft und die Beschäftigten. Aber Marcus Wassenberg kam nicht zu Wort. Erst begrüßte eine Delegation Maskierter den Arbeitsdirektor mit einem Sarg. Dann machte die Belegschaft an die zehn Minuten ihrem Unmut Luft. Erst als der Betriebsratsvorsitzende dem Managementvertreter mit den Worten Gehör verschaffte, der Betriebsrat wolle nicht immer allein die schlechten Nachrichten verbreiten, kamen die Kollegen zur Ruhe. Zeitweilig. Immer wieder wurde Wassenberg unterbrochen. Er solle nicht lügen, sich verziehen, beschrieb IG-Metall-Vertrauensmann David Lüdtke am Mittwoch die Szenen aus Köln. Die erste greifbare Aussage habe der Vorgesetzte dann aber gemacht, so Lüdtke gegenüber jW. Nämlich: Durch die neue Situation sei eine Insolvenz möglich.
Was war passiert? Seit Ende November ist bekannt, dass Ford 2.900 Stellen in Köln streichen will. Aber es gibt ein Hindernis: Bis Ende 2032 kommt die Geschäftsführung aus dem vereinbarten Kündigungsschutz nicht heraus. Betriebsrat und IG Metall haben bisher klargemacht, dass sie ohne ein Zukunftskonzept für die Kölner Werke nicht über weiteren Personalabbau reden wollen. Am Montag dann der »dreckige Griff in die Trickkiste«, wie die Gewerkschaft es in einer Pressemitteilung formulierte. Die Unternehmensführung stellt die Finanzierung um und kündigt parallel die Patronatserklärung für die deutsche GmbH auf. Wenn die wirtschaftliche Lage sich nicht bessert und der Mutterkonzern die Verluste nicht mehr ausgleicht, wie es die seit 2006 bestehende Patronatserklärung vorsieht, wäre eine Insolvenz der Ford Werke in den nächsten Jahren möglich.
Zwar schießt Ford noch einmal 4,4 Milliarden Euro zu Ford Deutschland zu. Allerdings hatte die GmbH zuletzt fast sechs Milliarden Euro Schulden. Gewerkschafter Lüdtke, der selbst bei Ford Köln arbeitet, nennt es Zahlenschieberei. Die jahrelangen Verluste hätten auch mit Managemententscheidungen in den USA und mit deren Verlustverteilung zu tun. Mit der Aufkündigung der Patronatserklärung soll nun der Druck auf den Betriebsrat und die Belegschaft aufgebaut werden, der geplanten Betriebsänderung zuzustimmen.
Für die Umsetzung eines von Ernst & Young ausgearbeiteten Businessplans will Ford sogar noch einen dreistelligen Millionenbetrag investieren. Allerdings sieht der Plan nicht einmal die Produktion neuer Fahrzeuge für Köln vor. Selbst jemand, der nicht BWL studiert hat, sehe, dass der Plan nicht funktionieren kann, so Lüdtke. Er sei voll falscher Annahmen. Zu allererst die: Vollauslastung durch weniger Personal.
Für die Belegschaft ist klar, die Ford-Werke sollen beerdigt werden. Seit Monaten sind sie auf Kurzarbeit gesetzt. Die Angst ist groß, dass als nächstes eine Schicht gestrichen wird. Jetzt deutet sich ein Arbeitskampf an. Der Betriebsrat strebt weiterhin an, einen Gesamtplan für ein Sicherheitsnetz zu verhandeln. Das heißt: gute Konditionen für die, die gehen wollen und Sicherheit für die, die bleiben wollen. Parallel wird die IG Metall das Unternehmen zu Sozialtarifverhandlungen aufrufen. Das erste Mal überhaupt in der Geschichte von Ford in Deutschland. Damit sind Streiks wahrscheinlich. Die Belegschaft hat somit ein zusätzliches Druckmittel, ist Lüdtke sicher. Und es sei wichtig, jetzt zu kämpfen. Jetzt, da die Belegschaft noch über »relative Stärke« verfüge. Nämlich 12.000 Lohnabhängige.
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