Anlasslos ausgegrenzt
Von Annuschka Eckhardt
Wer kennt ihn nicht – den Polizeibeauftragten des Bundes, unseren Freund und Helfer? Seit Januar 2024 können bei Uli Grötsch Beschwerden eingereicht werden – gegen die Polizei, aber auch von Beschäftigten der Polizei. Seit September finden an den europäischen Binnengrenzen stationäre Kontrollen statt. Dabei wählt die Polizei anscheinend häufig anlasslos Personen aus, die sie migrantisch liest – das sagte zumindest Grötsch am Donnerstag der dpa. Die Zahl der Beschwerden wegen anlassloser Kontrollen aufgrund äußerlicher Merkmale – sogenanntes Racial Profiling – habe »stark zugenommen«, so Grötsch. Er könne Menschen verstehen, die als Berufspendler, wenn sie bei zehn von zwölf Fahrten über die Grenze kontrolliert würden, sagen: »Ich werde doch hier nur kontrolliert, weil ich schwarz bin.« Seine Aufgabe sei es, dazu beizutragen, dass die Bundespolizei bei diesem Thema »sensibel« vorgehe und – wenn möglich – eine Verständigung zwischen Beamten und Betroffenen erreiche. Grötsch war in Bayern früher selbst Polizist, vermutlich glaubt er deshalb an »Verständigung« zwischen Beamten und Betroffenen.
»Für Millionen Menschen ist es eine Alltagserfahrung, ohne sachlichen Grund von der Polizei kontrolliert zu werden. Häufig geraten die Betroffenen allein aufgrund ihrer Haut- oder Haarfarbe oder der zugeschriebenen Herkunft ins Visier der Beamten«, sagte Clara Bünger, Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Gruppe Die Linke im Bundestag. Rassistische Polizeikontrollen verstießen gegen das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Es sei gut, dass diese schädliche Praxis nun etwas Aufmerksamkeit bekomme, besser wäre es aber, sie zu beenden. »Dazu reicht es nicht aus, eine ›bessere Verständigung‹ zwischen Bürgern und Polizei zu erreichen, wie es der Polizeibeauftragte fordert. Statt dessen muss der Polizei die Befugnis zu verdachtsunabhängigen Kontrollen entzogen werden. Polizeiliche Maßnahmen dürfen nur stattfinden, wenn es einen konkreten Verdacht gibt und nicht, weil Menschen aufgrund ihres Aussehens pauschal als ›gefährlich‹ verdächtigt werden«, so Bünger.
Kontrollen an den Binnengrenzen sind im Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen. Doch die scheidende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fühlte sich nicht mehr sicher und ordnete im September 2024 Kontrollen der Bundespolizei an den Landesgrenzen zu Frankreich, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Dänemark an. An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz gibt es bereits seit Mitte Oktober 2023 Kontrollen, an der deutsch-österreichischen Landesgrenze wurden sie bereits im Herbst 2015 eingeführt. Es werden nicht alle Reisenden überprüft, diesen »stichprobenartigen Kontrollen« fallen viele Personen zum Opfer, die in den Augen der Bundespolizisten verdächtig nach Migration aussehen. »Das ist das Resultat dieser sogenannten Sicherheitspolitik: Während stationäre Grenzkontrollen nichts zur tatsächlichen Sicherheitslage beitragen, haben sie real negative Auswirkungen auf rassifizierte Menschen«, sagte Julia Winkler, eine Sprecherin der Organisation Borderline Europe, am Donnerstag gegenüber junge Welt. Wer nicht ins rassistische Bild passe, werde an der Grenze routinemäßig als »Bedrohung markiert und mit der Botschaft konfrontiert: Du gehörst nicht dazu. Diese Politik schützt niemanden, sie vergiftet das gesellschaftliche Klima«, so Winkler.
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