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Aus: Ausgabe vom 14.03.2025, Seite 8 / Inland
Friedrich-Engels-Gedenkdemo

»Die Polizei war von Anfang an im Unrecht«

Wuppertal: Vorgehen der Staatsgewalt bei Friedrich-Engels-Gedenkdemo war rechtswidrig. Ein Gespräch mit Sinan Demir
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Aktivisten von BİR-KAR und Revolutionärem Jugendbund demonstrierten für die Verteidigung des Versammlungsrechts

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat Ende Februar die gewaltsame Auflösung der Gedenkdemonstration für Friedrich Engels im Jahr 2021 für rechtswidrig erklärt. Überrascht Sie das Urteil?

Einerseits überrascht es mich nicht, da die Situation mehr als offensichtlich und die Polizei von Anfang an im Unrecht war. Überwiegend überrascht es jedoch, da wir prinzipiell keine großen Erwartungen an die Justiz im kapitalistischen System haben und der Polizeiapparat in der Regel von den Gerichten gedeckt wird.

Mit welcher Begründung wurde die Demonstration damals aufgelöst?

Die Polizei begründete die Auflösung der Demo damit, dass die Versammlung eine »Gefahr für die öffentliche Sicherheit« darstelle. Das wurde vollständig widerlegt. Im Gegenteil: Es war die Wuppertaler Polizei, die – angeführt durch den als Linkenfeind bekannten Hauptkommissar Patrick Gröteke – die öffentliche Sicherheit gefährdete. Zuerst filmte sie die anreisenden Teilnehmer, um schon mal Material von »potentiellen Straftätern« zu sammeln. Dann griff sie plötzlich in die Versammlung ein und versuchte aufgrund von »Vermummung« einen Teilnehmer herauszuziehen, der wegen des Platzregens wie viele andere eine Kapuze aufgesetzt hatte. Schließlich marschierte sie mit Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten auf einen Teilnehmer zu und nahm ihn ohne Erklärung mit. Der Protest der anderen, die der Polizei einige Meter folgten, um den Betroffenen nicht aus den Augen zu lassen, wurde letztlich zum Vorwand, um die Versammlung für »gefährlich« zu erklären und mit massiver Gewalt anzugreifen.

Wie reagierten die Teilnehmenden auf dieses polizeiliche Vorgehen?

Eine solche Willkür kannten wir von der seit Jahren friedlichen Engels-Demo nicht. Doch uns war klar, dass wir uns in einer Phase der Repressionen und des verstärkten Rechtsrucks befinden. Es war für uns keine Frage, ob wir unsere demokratischen Rechte verteidigen und den legitimen Widerstand wählen. Sich dieser staatlichen Willkür zu ergeben, wäre eine schmerzhafte Niederlage für die revolutionäre Bewegung gewesen. Zudem wäre es eine Schande für das Gedenken an Friedrich Engels. Die Aktivisten vom Revolutionären Jugendbund und Bir-Kar setzten sich genau für diese Perspektive ein und blieben entschlossen und lautstark auf dem Platz, bis die letzte Person abgeführt wurde.

Wie hat das Gericht argumentiert und was genau für rechtswidrig erklärt?

Es gab eine ganze Reihe an Maßnahmen, die das Gericht für rechtswidrig erklärt hat. Der Eingriff wegen Vermummung war rechtswidrig, da dem betroffenen Teilnehmer diese Absicht eindeutig nicht vorzuwerfen war. Bemängelt wurde auch der Einsatz von Schlagstöcken und die Ingewahrsamnahme eines Teilnehmers ohne Begründung. Schließlich wurde die Rechtswidrigkeit der Auflösung sowie des Verbots einer Spontandemo festgestellt. Bei Maßnahmen gab es seitens der Polizei keine Absprache mit der Demoleitung. Die mit Abstand wichtigste Erkenntnis: Der Widerstand der Teilnehmer gegen diese Rechtswidrigkeiten war legitim. Wenn selbst ein bürgerliches Gericht das feststellt, sollte das für alle fortschrittlichen und ganz besonders die revolutionären Kräfte im Land ein Weckruf sein, dass man sich den staatlichen Repressionen und polizeilicher Willkür nicht einfach beugen darf.

Nach der Versammlungsauflösung und Ingewahrsamnahmen folgten einige Prozesse mit sowohl Verurteilungen als auch Freisprüchen. Können Sie das etwas ausführen?

Es gingen Dutzende Geldstrafen und Strafbefehle raus. Durch entschlossene Haltung vor Gericht und hartnäckige Öffentlichkeitsarbeit konnten wir jedoch zahlreiche Freisprüche und Verfahrenseinstellungen erkämpfen, bei denen den Beschuldigten ursprünglich hohe Strafen angedroht worden waren. Die Einzelverfahren waren beendet, doch nach der offiziellen Bestätigung des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit der Auflösung werden wir nun erneut gegen Urteile vorgehen und sogar Entschädigungen wegen stundenlanger Einkesselung, Einsperren und Körperverletzungen verlangen.

Sinan Demir ist Sprecher des Revolutionären Jugendbundes

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