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Aus: Ausgabe vom 14.03.2025, Seite 5 / Inland
Luftsicherheit

Lukrative Befristungen

Luftsicherheitsfirmen qualifizieren ihre Arbeitskräfte selbst. Finanziert über die Arbeitsagentur. Nach zwei Jahren kommt häufig die Kündigung
Von Susanne Knütter
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Trotz teils prekärer Arbeitsbedingungen kämpfen sie: Verdi-Mitglieder am Düsseldorfer Flughafen (10.3.2025)

Befristete Beschäftigte nehmen ihre Rechte im Betrieb kaum wahr. Sie kommen krank zur Arbeit, weil sie Angst haben, dass ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert wird. Von ihrem Streikrecht bei Tarifrunden machen sie seltener Gebrauch. Das sind gute Gründe für Unternehmen, um Beschäftigte ohne jeglichen Sachgrund bis zu zwei Jahre an der kurzen Leine zu halten. Rechtlich ist das nach wie vor möglich. Deshalb wird auch im Hoheitsbereich des Staates rege davon Gebrauch gemacht. So z. B. bei der Luftsicherheit, für die private Unternehmen an Flughäfen im Auftrag des Staates sorgen. In welchem Ausmaß, ermittelte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kürzlich für die Luftsicherheitsfirma DSW, die am Düsseldorfer Flughafen u. a. für die Gepäck-, Personen-, Fracht- und Warenkontrollen zuständig ist. Demnach hat die Firma in den letzten drei Jahren 500 qualifizierte Luftsicherheitskräfte nach jeweils zwei Jahren vor die Tür gesetzt. Von 1.200 Beschäftigten sind aktuell 400 befristet angestellt.

Zwar ist eine Befristung von Arbeitsverträgen von bis zu zwei Jahren ohne Sachgrund gemäß Teilzeit- und Befristungsgesetz erlaubt. Aus Sicht von Verdi ist die sachgrundlose Befristung für viele Unternehmen »nur ein Instru­ment, um die Beschäftigten länger in der ›Probezeit‹ zu halten und dann gegebenenfalls wieder ohne juristische Hürden und Begründung loszuwerden«. Danach werden erneut Beschäftigte befristet eingestellt, wie bei einer Drehtür, erklärte Verdi-Sekretär Özay Tarim am 21. Februar auf dem Branchenportal luftsicherheit-nrw.de. Und er machte auf einen weiteren Nutzen dieser Hire-and-Fire-Strategie für Firmen wie DSW aufmerksam. Die ständig neu angeworbenen Arbeitskräfte würden in der betriebseigenen Ausbildungsakademie qualifiziert. Dafür verlangten die Sicherheitsfirmen bis zu 6.000 Euro pro Person. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) fördere die Maßnahme mit sogenannten Bildungsgutscheinen. Für Selbstzahler, also Personen, die nicht von der Arbeitsagentur unterstützt werden, würden die Qualifizierungskosten für die angehenden Luftsicherheitsfachkräfte »erstaunlicherweise dann nur noch etwa 2.000 Euro« betragen.

Die BA habe »über den eigenen Verantwortungsbereich hinaus keine Kenntnis über den möglicherweise erweiterten Teilnehmendenkreis und deren Vertragsbedingungen«, teilte die BA am Donnerstag gegenüber jW mit. Es könnten daher »keine Aussagen zu potentiell abweichenden Maßnahmenkosten getroffen werden«. Die Maßnahmen selbst würden von zertifizierten Qualifizierungsstellen geprüft, auch auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zu Arbeitsbedingungen in der Luftsicherheit »können wir keine Aussage machen«, hieß es weiter.

Und die noch amtierende Bundesregierung? Man sei sich der »besonderen gesellschaftlichen Bedeutung und der hohen Verantwortung dieser Tätigkeit bewusst und demgemäß an verträglichen Arbeitsbedingungen interessiert«, erklärte das Bundesinnenministerium gegenüber jW. Das gelte auch für sachgrundlose Befristungen. »Werden dem BMI entsprechende Sachverhalte bekannt, adressiert es sie gegenüber den Dienstleistern.« Ob die nächste Bundesregierung sich des Themas sachgrundlose Befristungen annehmen wird, ist offen, erklärte das Bundesarbeitsministerium. Die Fraktionen von SPD und Union äußerten sich auf Nachfrage in der gesetzten Frist dazu nicht.

Neben für die Sicherheitsfirmen lukrativen Ausbildungsschleifen und unsicheren Arbeitsverhältnissen könnte auch das Risiko für die Luftsicherheit steigen. »Denn durch die ständige Rotation und das Fehlen von langfristigen Arbeitsverhältnissen können wertvolle Spezialkenntnisse (sicherheitsrelevantes Wissen über die Luftsicherheit) verlorengehen oder in die falschen Hände geraten«, erklärte Gewerkschafter Tarim. Aus Sicht des BMI ist das ausgeschlossen. Denn »eingestufte sicherheitsrelevante Informationen« dürften ja »grundsätzlich nicht ohne weiteres weitergeben werden, unabhängig davon, ob ein Arbeitsverhältnis mit dem beauftragten Sicherheitsdienstleister (noch) besteht«.

Auf die Politik zu hoffen ist generell kein guter Ratgeber. Die Beschäftigten in der Luftsicherheit nehmen ihre Arbeitsbedingungen – trotz allem – daher inzwischen selbst in die Hand. Am Montag streikten sie wie die Flughafenbeschäftigten des öffentlichen Dienstes für bessere Arbeitsbedingungen. Seit Monaten verhandelt Verdi hier mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) über einen neuen Manteltarifvertrag für die 25.000 Beschäftigten.

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