Rote Zahlen in Schwedt
Von Knut Mellenthin
Seit Jahresanfang 2023 darf die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt an der Oder kein russisches Rohöl mehr verarbeiten. Über die Auswirkungen, die exakt messbar sein müssten, gibt es äußerst widersprüchliche Aussagen. Auf der einen Seite sagte Michael Kellner, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dem Sender RBB am Dienstag: »Die Raffinerie läuft, die Jobs sind sicher, und deswegen geht es auch ohne.« Er hat das Parteibuch der Grünen, ebenso wie Minister Robert Habeck. Kellners unverwüstlicher Optimismus in Sachen Schwedt ist offenbar Staatsräson. Außerdem umfasst sein Wahlkreis die Uckermark und Teile des Barnim.
Völlig anders beschreibt der Vorsitzende des PCK-Betriebsrates, Danny Ruthenburg, den RBB am Dienstag ebenfalls befragte, die Lage: Das Raffinerieunternehmen schreibe »rote Zahlen in Millionenhöhe« und stehe vor Kürzungen auch bei den Arbeitsplätzen. Als Ursache nennt Ruthenburg die gestiegenen Produktionskosten durch die von der Bundesregierung erzwungene Notwendigkeit, anstelle der Lieferungen aus Russland schlechter geeignete Rohölsorten zu verarbeiten. Ein Nebeneffekt ist, dass der Schwefeldioxidausstoß der Raffinerie nach Angaben von Umweltschützern um das Fünffache über dem vorgeschriebenen Grenzwert liegt.
»Die Jobs sind absolut nicht sicher«, schätzt Ruthenburg ein. »Wenn es so bleibt, wie es aktuell ist, reden wir über eine starke Personalreduzierung.« Davon könnten 300 bis 400 der insgesamt 1.200 Arbeitsplätze in der Raffinerie betroffen sein. Bei den Partnern von PCK in der Region und bei der Stadtverwaltung könne die Zahl der Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen müssen, sogar drei- bis viermal höher liegen. Für das Personal der Raffinerie gilt gegenwärtig noch eine Beschäftigungsgarantie. Sie wurde kurz vor ihrem Auslaufen zum Jahreswechsel bis Ende Juni verlängert.
Dass das Unternehmen als Folge der erzwungenen Umstellung auf alternative Lieferanten »deutlich gestiegene Rohöleinstandskosten« verkraften muss und deshalb »nicht wettbewerbsfähig operieren kann«, ist keine Neuigkeit: Dies war auch schon Gegenstand eines Briefs der Geschäftsführung an das Bundeswirtschaftsministerium, über den die Tageszeitung Nordkurier am 25. Januar berichtet hatte. Um so dreister ist, dass Staatssekretär Kellner den Sachverhalt immer noch zu leugnen scheint.
Der Austausch von Signalen zwischen Washington und Moskau über eine Beendigung des Krieges in der Ukraine hat die Diskussion um die künftige Rohstoffversorgung der Raffinerie in Schwedt belebt. Die Rückkehr zur Verarbeitung von russischem Erdöl dürfe kein Tabu sein, forderte der PCK-Betriebsrat Ende Februar. Unterstützung kam von Schwedts Bürgermeisterin Annekatrin Hoppe (SPD) und Landrätin Karina Dörk (CDU). Das sei »angesichts der Situation in der Ukraine verantwortungslos«, sagte Staatssekretär Kellner am Dienstag dem RBB. Es seien schon Fördermittel zur Rettung der Raffinerie bereitgestellt worden, und weitere Gelder stünden für das Zukunftsprojekt bereit, die Anlagen in einigen Jahren auf die Verarbeitung von »grünem« Wasserstoff umzustellen. »Nur müssen die Eigentümer der Raffinerie, die Gesellschafter, den Sprung ins Neue auch wagen.«
Realität ist aber, dass die Mehrheitseigentümer, zwei Tochterfirmen des russischen Unternehmens Rosneft, seit September 2022 unter Treuhandverwaltung des Bundes stehen und zum Verkauf ihrer Anteile gezwungen werden sollen. Rosneft hat bis zum 10. September Zeit, einen Interessenten zu finden, der aber bisher nicht in Sicht zu sein scheint. Außerdem kommt der »Transformationsprozess« deutlich langsamer voran, als anfangs frohgemut versprochen worden war, wie der RBB am Donnerstag voriger Woche berichtete. Genau betrachtet tut sich auf diesem Gebiet angesichts der ungeklärten Eigentümerverhältnisse und der verlorengegangenen Rentabilität offenbar gar nichts.
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