Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 17.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Liedermacher

»Ollas kennd des letzte mol sein«

Ein Vermächtnis: Das Album »Live im Stadtsaal 2020« von Molden, Resetarits, Soyka und Wirth
Von Eileen Heerdegen
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Ernst Molden, Willi Resetarits, Walther Soyka und Hannes Wirth bei den Salzkammergut-Festwochen 2017

»Er hat ka Wurt sogt, er hat nach nix gfrogt, wor gonz stü, denn so is er, da dod.«

Am 24. April 2022 war »die Sonne auf Urlaub, das Lachen verreist, die Musi stumm«, als der Tod, wie im Lied beschrieben, still durchs Gartentor kam und den Willi Resetarits einfach mitgenommen hat.

»Da Dod«, Willi Resetarits auf Track Nr. 23 des neu erschienenen, 20 Songs und zehn Moderationen umfassenden Doppelalbums, live aufgenommen unter speziellen Coronabedingungen am 25. Juli 2020 im Wiener Stadtsaal an der Mariahilferstraße.

Die letzte Konzertaufzeichnung der Wiener »Supergroup«, Ernst Molden (Gesang, Akustikgitarre), Willi Resetarits (Gesang, Ukulele, Mundharmonika), Walther Soyka (Wiener Knöpferlharmonika, Gesang) und Hannes Wirth (E-Gitarre, Gesang), mit Klassikern aus den ersten Jahren, Songs des damals aktuellen Longplayers »Yeah«, aber auch Neues für das schließlich vierte Studioalbum »Schdean«.

»Ollas kennd des letzte mol sein«, man weiß es, man singt es (»Es Lem«/das Leben), man glaubt es aber nicht. Für mich war Willi Resetarits vor allem Anfang und ständiger Wegbegleiter, als Musiker und politischer Mensch, Aktivist und Mahner. Als sehr, sehr junge Frau das erste Mal in Wien zu Besuch bei den Schmetterlingen, das erste Mal Triest wegen der schönen Aufnahmen auf »Yeah«, der wunderbare Walther Soyka unter der uralten Kastanie selbstvergessen Harmonika spielend am ersten Heurigensommerabend gleich hinterm Haus. Ein Interview mit dem auch im linken Deutschland be- und geliebten »einzigen österreichischen Superstar« (Molden über Resetarits) sollte zudem meine erste Zusammenarbeit mit der jungen Welt sein. Dass mein Einstand der Nachruf auf Willi wurde, schmerzt.

Doch die »Viererbande« lebt, die melancholischen Texte, zumeist aus der Feder von »Commandante Ernesto«(Resetarits über Molden, dem er bester Freund und Vaterfigur war), aber auch die spezielle Atmosphäre dieser Liveaufnahme aus einer Pandemiezwischenzeit, in der bei manchen die Sorge, bei anderen die Hoffnung überwog, ist ein Vermächtnis der besonderen Art.

Die vier virtuosen Musiker wachsen zu einer Einheit zusammen; sie singen von alkoholgeschwängerten Nächten, in denen man kackfrech den Teufel um eine Valium oder wenigstens ein geschmiertes Brot bittet (»Deifö, Deifö, Deifö«), von Kindheitserinnerungen im Wurstlprater (»Rudschduam«) oder vom wienerischsten aller aufgeblasenen Grantler, dem Herrn Ober.

Auch musikalisch wird viel geboten. Vom jazzigen Gospel »Gemma ins Wossa (der Herr wird schon schaun auf uns)« bis zum Fastgassenhauer »Awarakadawara«, das Hohelied auf die Freundschaft. Ein Abzählreim voll banger Fragen. »Wo san meine Hawara«, wo sind die Freunde, wenn die Sonne nicht scheint, wenn ich in den Regen rausmuss, wenn ich ein schweres Päckchen zu tragen habe? Vielleicht in der »Hauptallee« – ein Gang durch die Magistrale des grünen Praters, im Januar, der sich als April verkleidet hat und alles vom Eise befreit, wie in Goethes Osterspaziergang.

Die Texte sind in schwerem Dialekt verfasst und gesungen, nicht immer leicht und für jeden zu verstehen. Aber wie bei englischer, französischer, italienischer Lieblingsmusik sind es Gefühle, die uns verbinden. Wienerlieder voll echter Traurigkeit, die »Hammerschmidgossn«, in der Molden aufwuchs und die kaum noch wiederzuerkennen ist (»i sog seavas zu meina gossn und die gossn griasst ned retour«), »Schwaare (schwere) Zeiten«, in denen wir uns nicht unterkriegen lassen, und schließlich kann man sich lieber in einen Weinberg legen, denn eigentlich »wär es schad, sich aufzuhängen«.

Es ist sehr lange her, dass Willi Resetarits mit den Schmetterlingen Jura Soyfers »Lied von der Erde« sang: »Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde, / Voll Leben und voll Tod ist diese Erde, / In Armut und in Reichtum grenzenlos. / Gesegnet und verdammt ist diese Erde, / Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde, / Und ihre Zukunft ist herrlich und groß!« Diese verzweifelte Hoffnung des mit nur 26 Jahren in Buchenwald ermordeten Dichters haben wir damals alle geteilt.

Geblieben ist die Verzweiflung. Aber da »san die Hawara«, und wenn die Sonne nicht scheint, singt der Commandante Ernesto halt vom Mond: »Die Stadt ist so finster wie vor 50 Johrn, a Stickl vom Mond hängt in deine Hoar, der Wein is vom Nussberg, Oida, den sauf i!«

Molden, Resetarits, Soyka, Wirth: »Live im Stadtsaal 2020« (BMR)

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