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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 5 / Inland
Arbeitskampf

Wegner in der Zange

Berlin: BVG-Streik legt Nahverkehr lahm. Solidarische Kollegen setzten Regierendem Bürgermeister bei Bürgerdialog mit Fragen zu
Von Niki Uhlmann
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BVG und CFM: Vereint im Streik wie im Warten auf Wegner (Berlin, 18.3.2025)

Verwaiste U-Bahn-Stationen, überfüllte Straßen: Mit einem 48stündigen Warnstreik erinnern die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ihre Dienstherren noch bis diesen Donnerstag an die laufende Tarifrunde. Diese mussten am Mittwoch eingestehen, dass durch den Arbeitskampf U-Bahnen, Straßenbahnen und die meisten Buslinien stillstanden. Die Gewerkschaft Verdi hatte das letzte Angebot des Verkehrsunternehmens als »unzureichend« zurückgewiesen und erhöhte vor der Gesprächsrunde am Freitag noch einmal den Druck.

Schon am Dienstag abend hatten sich knapp 100 BVG-Beschäftigte und Kolleginnen und Kollegen der Charité Facility Management (CFM) die »Gelegenheit, mit Kai Wegner in den Austausch zu kommen«, nicht nehmen lassen. Das von der Senatskanzlei ebenso beschriebene Format hatte in das Jugendkulturzentrum »Pumpe« in Berlin-Mitte geladen. Doch der Regierende Bürgermeister Wegner (CDU) ließ die Beschäftigten wie sein Publikum zunächst auf sich warten. So sind sie, die wichtigen Leute.

Die Berliner Initiative »Berlin steht zusammen« nutzte die Zeit, um Anwesende über den Arbeitskampf von BVG und CFM zu informieren. Weil sie die »Stadt am Laufen halten«, seien sie auf die Solidarität der Stadtgesellschaft angewiesen, hieß es auf Flugblättern. Denn wie die BVG-Beschäftigten kämpfen auch die Kolleginnen und Kollegen der CFM um bessere Arbeitsbedingungen. Letztere sollten eigentlich längst in den Tarif des öffentlichen Dienstes (TVÖD) »zurückgeführt« werden.

Maik Sosnowsky, Betriebsratsvorsitzender der CFM, erinnerte Wegner an seine im Koalitionsvertrag mit der SPD festgehaltenen Beteuerungen, die Outgesourcten betrieblich wie tariflich in die Charité einzugliedern. Seine Vorgänger hätten »falsche Versprechen« gemacht, was er nicht wiederholen wolle, setzte Wegner zur Antwort an, als würde er im Folgenden zusagen. Er sehe die »Ungerechtigkeiten«, habe eine »ressortübergreifende Arbeitsgruppe« zur Prüfung einberufen, die dem Senat bald eine »Besprechungsunterlage« vorlegen werde. Die Eingliederung hätte angesichts des angespannten Haushalts »gravierende Auswirkungen«, zog er noch die Kulturkürzungen heran, um sie gegen die CFM auszuspielen. Er könne keine Zusage machen. Nur: Das ist bereits geschehen.

Das Gesicht des BVG-Streiks, Stubi genannt, lud Wegner zur Streikdemonstration vor dem Roten Rathaus an diesem Donnerstag ein. In vier Tagen laufe das Ultimatum der BVG ab: Mache Wegner »die Sache zur Chefsache«, müsste nicht weiter gestreikt werden. Der Regierende Bürgermeister entgegnete, er sehe »den Nachholbedarf bei der BVG«. Da er die Verhandlungen genaustens verfolge, wisse er, dass inzwischen »17 Prozent« angeboten worden seien, fabulierte Wegner. Es lag am BVGler Stubi, ihn auf die tatsächlich angebotenen 13 Prozent zu korrigieren. Zur Sicherheit erklärte er dem CDU-Politiker dann auch noch, was ein Reallohn ist. Die BVG könne der Bürgermeister aber schon der Tarifautonomie wegen nicht zur Chefsache machen, blieb Wegner beharrlich. Doch ist es der Senat, der den Geldhahn der BVG mittels Verkehrsvertrag auf- oder eben zudrehen kann. Ob er zum Streik kommen könne, wollte Wegner aber »gucken«.

Drinnen prasselten die Fragen weiter. Eine BVG-Beschäftigte klagte, dass bei ihrer Rente mit dem aktuellen Angebot keine Verbesserung zu erwarten sei. »Sie sagen immer nur, was nicht geht«, beschwerte sich ein Beschäftigter der CFM bei Wegner. Das Publikum schien genervt. »Zur Zeit haben die Berliner noch Verständnis für die Streiks, aber irgendwann könnte die Solidarität kippen«, sagte Wegner die Stimmung voraus. Auch die Fragen anderer Gäste beantwortete er, wenn überhaupt, mit abstraktem Geschwafel oder Ausflüchten. Nebst Beteuerungen, alles bestens nachvollziehen zu können, scheint es sein Markenzeichen zu sein. Immerhin nahm er eine Einladung zu einer Busfahrt an. Vielleicht kommt er bald nicht mehr zu spät. Solange er ebenso wie die Chefetagen der öffentlichen Betriebe mauert, muss gestreikt werden. An diesem Donnerstag etwa, berlinweit.

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