Ein Christian nach dem anderen
Von Ralf Wurzbacher
Die FDP ist mit Pauken und Trompeten aus dem Bundestag geflogen. Vom Wähler für drei Jahre Ampelchaos abgestraft, stehen den Liberalen vier Jahre außerparlamentarische Opposition ins Haus. Aber der bisherige Hausherr, Christian Lindner, sucht das Weite, sprich: eine gutdotierte Anschlussbeschäftigung in der Wirtschaft. Und hinterlässt eine große Lücke, die personell ausgefüllt werden muss. Zur Stelle ist Christian Dürr, dem demnächst sein letztes Stündchen als Fraktionschef im Bundestag schlägt. Wie er am Sonntag auf der Plattform X per Videobotschaft verkündete, will er sich beim Bundesparteitag Mitte Mai in Berlin zum neuen Parteivorsitzenden küren lassen.
Auf die Personalie haben sich am Wochenende die Fraktionsspitzen aus Bund, Ländern und Europa bei einem Treffen in Kiel geeinigt. Wie der Spiegel schrieb, ist Dürr ein Kompromisskandidat. Interesse hatten davor auch Präsidiumsmitglied Marie Agnes Strack-Zimmermann und Parteivize Wolfgang Kubicki angemeldet. Nach Informationen des Politmagazins soll sich in den Wochen nach dem Wahldebakel aber sehr rasch gezeigt haben, dass weder sie noch er das Zeug hätten, den in sich zerstrittenen Laden zu einen. In die Röhre schaut wohl auch Henning Höne, der in Nordrhein-Westfalen die Partei und die Fraktion im Düsseldorfer Landtag anführt. Er galt als ein aussichtsreicher Anwärter auf den Posten, fiel beim Casting an der Förde allerdings durch.
Warum nur? Vielleicht, weil er im Unterschied zu Dürr bis auf weiteres einen sicheren Job hat? Jedenfalls muss für den designierten Lindner-Nachfolger eigens die Geschäftsordnung der Freidemokraten umgeschrieben werden. Bislang ist der FDP-Vorsitz ein reines Ehrenamt. Dürr will und muss aber Geld verdienen. Da er aber weder im Bundesparlament vertreten sein wird noch im Landtag seiner Heimat Niedersachsen, aus dem die FDP schon 2022 ausschied, wird er die Partei allein aus der Berliner Zentrale leiten müssen – gegen eine Entschädigung aus der Parteikasse. »Wenn man hinfällt, steht man wieder auf«, beschwor Dürr sich und die Seinen am Montag vor Pressevertretern im Berliner Hans-Dietrich-Genscher-Haus. »Spätestens 2029« wäre man zurück auf der großen Politbühne, so seine Ansage.
Helfen sollen dabei Teambuildingmaßnahmen. Unter ihm werde es Führung im Miteinander geben, versprach der Auserwählte, wobei auch Kubicki und Strack-Zimmermann eine wichtige Rolle spielen sollten. Beide wünscht er sich ins Parteipräsidium. Kubicki dankte es ihm am Wochenende mit dem Post eines Fotos, auf dem die drei gemeinsam in die Linse grinsen. »Zusammen in der liberalen Familie«, kommentierte Dürr, der aber auch »neue Köpfe« um sich versammeln will. Lindner wird inzwischen angekreidet, die Partei zu einer One-Man-Show gemacht zu haben. Inhaltlich will Dürr dennoch am Kurs des Noch-Parteichefs festhalten und im Speziellen das Feld »Generationengerechtigkeit« beackern. Auf Lindners Arbeit lasse sich aufbauen, ergänzte er, die Partei habe ihm viel zu verdanken. Gefragt nach den Unterschieden, beschied Dürr: »Ich habe einen anderen Nachnamen.«
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