Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 2 / Inland
Kritik an Israel

»Meine Entlassung war rechtswidrig«

Beamtin nach Kritik an Israel von Arbeitsministerium gekündigt. Ein Gespräch mit Melanie Schweizer
Interview: Marc Bebenroth
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Melanie Schweizer will notfalls gegen ihren früheren Arbeitgeber vor Gericht ziehen

Sie gehen gegen Ihre Entlassung durch das Bundesarbeitsministerium juristisch vor, die Sie Anfang März öffentlich gemacht haben. Weshalb wollen Sie weiter in einer Behörde arbeiten, die Sie für Ihre Kritik an der israelischen Regierung hinauswirft?

Abgesehen davon, dass mir mein Job im Ministerium sehr wichtig ist und ich die Arbeit dort sehr geschätzt habe, erfolgte meine Entlassung aus dem Dienstverhältnis meiner Auffassung nach rechtswidrig, sogar verfassungswidrig. Auch als Beamtin habe ich politische Betätigungsrechte, darf beispielsweise für den Bundestag kandidieren. Ich halte es für wichtig, dass wir auf unseren demokratischen Rechten beharren. Dieses Recht will ich verteidigen. Es kann schließlich nicht sein, dass wir in einem demokratischen Staat leben, aber bestimmte, nicht strafrechtlich relevante Meinungsäußerungen verboten sind. Insbesondere nicht, wenn die Einhaltung von internationalem Recht mit der Meinungsäußerung bezweckt wird.

Ist es nicht so, dass Beamte besonderen Pflichten unterliegen?

Ich unterliege im Rahmen meiner Dienstausübung unter anderem einer Neutralitätspflicht. Deshalb habe ich mich auch nie in diesem Kontext zum Thema Gaza geäußert. Zur Sprache brachte ich meine Meinung in privaten Gesprächen, zum Beispiel in Mittagspausen mit Kolleginnen und Kollegen oder auf Betriebsausflügen. Gerade für mich als Beamtin, die der Verfassung dient, ist es unerträglich, dass Deutschland in so einem Maße internationales Recht missachtet. Bundeskanzler Scholz hat es die ganzen letzten Jahre gemacht, und der Unionskandidat Merz toppt es jetzt noch, indem er den per internationalem Haftbefehl gesuchten israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu nach Deutschland einlädt und erklärt, dieser werde weder Verhaftung noch Auslieferung nach Den Haag fürchten müssen.

Hat man Sie im Zuge eines Disziplinarverfahrens angehört?

Es gab kein Disziplinarverfahren. Ich habe auf informellen Wegen mitbekommen, dass ein Bild-Artikel über mich kommen wird. Schließlich teilte mir unsere Personalabteilung schriftlich mit, dass sie ein Gespräch mit mir haben wollen. Auf die Frage, worum es gehe, schrieben sie mir: meine Äußerungen. Da kam der Artikel auch schon raus, mit der Pointe, dass das Ministerium gegenüber Bild Stellung bezogen hatte, ohne mich vorher dazu zu fragen. Es kam zu dem Gespräch, in dem man mir mitteilte, dass meine Meinungsäußerungen aus der Sicht meines Dienstherrn gegen meine beamtenrechtlichen Pflichten verstießen und in dem man von mir wissen wollte, ob ich mich weiterhin in der bisherigen Form öffentlich äußern werde. Ich beharrte darauf, meine grundrechtlich garantierten Rechte auszuüben, die meiner Auffassung nach nicht im Widerspruch zu meinen beamtenrechtlichen Pflichten stehen, und erklärte, dass ich mich als MERA-25-Kandidatin auch im politischen Wahlkampf befände.

Was folgte aus diesem Personalgespräch?

Es gab relativ schnell, gleich an meinem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub im Dezember, ein zweites. Da wurde mir aber direkt ein Schreiben in die Hand gedrückt und gesagt, ich sei mit sofortiger Wirkung entlassen. Das stimmte nicht, weil es lediglich eine Ankündigung war: Man beabsichtige meine Entlassung – mir wurde aber mit sofortiger Wirkung untersagt, die Dienstgeschäfte auszuführen. Ich bekam zwei Wochen Zeit, Stellung zu beziehen. Ich hatte bei beiden Gesprächen gefragt, ob ich Rechtsbeistand mitnehmen könnte. Das wurde mir verwehrt.

Welche rechtlichen Schritte wollen Sie gehen?

Wir befinden uns jetzt noch im behördlichen Widerspruchsverfahren. Das Ministerium hat die Gelegenheit, die Entscheidung zu überdenken. Danach steht der Klageweg offen, und den werde ich auch beschreiten.

Was raten Sie Menschen, die nicht so juristisch bewandert sind, aber wegen ihrer Palästina-Solidarität von Kündigungen oder Berufsverboten betroffen sind?

Ich rate dazu, sich zu vernetzen. Das ist das Effektivste. Es gibt mittlerweile viele Organisationen, die Hilfe und Beratung anbieten. Die wissen auch, an wen man sich für Rechtsbeistand wenden kann. Ich bin Juristin, und finde es sehr wichtig, dass man seine Stimme erhebt. Autoritäre Systeme entstehen, wenn Menschen sich in vorauseilendem Gehorsam unterordnen und nichts dagegen tun.

Melanie Schweizer ist Volljuristin, trat für die Partei MERA 25 zur Bundestagswahl an und war bis Anfang des Jahres Beamtin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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  • Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (20. März 2025 um 07:48 Uhr)
    Hmmmm, Beamtin … erinnert mich an die 2. Strophe aus Bert Brechts/Ernst Buschs »Das Lied vom Klassenfeind«: »Und sie sagten mir: Wenn ich brav bin, dann werd ich dasselbe wie sie. Doch ich dachte: Wenn ich ihr Schaf bin, dann werd ich ein Metzger nie. Und manchen von uns sah ich, der ging ihnen auf den Strich. Und geschah ihm, was dir und was mir geschah, dann wunderte er sich. Mich aber, mich nahm es nicht wunder, ich kam ihnen frühzeitig drauf: Der Regen fließt eben herunter und fließt eben nicht hinauf.« Die anderen Strophen passen auch sehr in unsere Zeit. (Noch?) leicht zu finden auf Youtube etc.

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