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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 4 / Inland
Grundgesetzänderungen

Für Krieg und Kapital

Nach Milliardenkrediten für Aufrüstung: Merz will Sozialausgaben kürzen. Zusätzliche Militärhilfe für Ukraine geplant. Protest vor Bundestag
Von Max Grigutsch
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»Kein Cent und kein Mensch für Aufrüstung«: Protest auf der Wiese von dem Reichstag (Berlin, 19.3.2025)

Die jüngsten Kreditermächtigungen werden nicht für Soziales ausgegeben, bekräftigte CDU-Chef Friedrich Merz schon am Abend nach der Abstimmung. Darüber hinaus seien »überbordende Sozialausgaben« auf den Prüfstand zu stellen, sagte der vormals in zahlreichen Aufsichtsräten tätige Politiker im RTL-»Nachtjournal«. Ins gleiche Horn stieß – wenig überraschend – die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter mahnte am Mittwoch morgen im Deutschlandfunk einen »aktivierenden Umbau des Sozialstaats« an. Für die Kriegskredite (»Schuldenpakete«) waren Grundgesetzänderungen nötig, die am Dienstag mit Stimmen von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gebilligt wurden.

Kampeter finde die Schulden nur im Zusammenhang mit Reformen sinnvoll. »Diese Koalition kann groß werden, wenn sie Wachstum schafft, wenn sie den Arbeitsmarkt aufschließt, wenn sie Menschen in Arbeit holt, die Bürokratie abbaut und die Sozialversicherungsreformen stabil macht«, so der Kapitalvertreter. Man habe mit Zitronen gehandelt, wenn die Parteien statt Wachstumsausgaben »weiter den Sozialstaat expandieren«. Als Kritik an schuldenfinanzierter Aufrüstung sind die Aussagen Kampeters nicht zu verstehen. »Starke Wirtschaft, starkes Land«, betonte er und verwies darauf, dass die »deutschen Arbeitgeber« Rüstungsausgaben »stets unterstützt« hätten. Die Schulden ließen sich nur in Verbindungen mit einer »umfassenden Reformagenda für unser Staatswesen« rechtfertigen, denkt auch Merz. Über die Notwendigkeit einer »Staatsreform« sprechen Politiker von Union und SPD vermehrt seit der Vorstellung eines entsprechenden Berichts am Mittwoch voriger Woche. Kürzungen der Sozialausgaben, etwa beim sogenannten Bürgergeld, sind bereits im Sondierungspapier festgeschrieben.

In der Kriegspolitik machten sich die jüngsten Beschlüsse des Parlaments unterdessen schon bemerkbar. Das Bundesfinanzministerium unter Jörg Kukies (SPD) plane bereits, etwa elf Milliarden Euro an Militärhilfen für die Ukraine freizugeben – 2,547 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben in diesem Jahr, dann 8,252 Milliarden von 2026 bis 2029. Das schlug das Ministerium dem Haushaltsausschuss des Bundestags am Mittwoch vor. Am Freitag soll entschieden werden.

Laut einem Sprecher von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) strebe die Regierung noch in diesem Jahr zusätzliche Waffenlieferungen an. Der Bundestag zeige so, dass »wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Freiheit in der Ukraine«, kommentierte der Grünen-Politiker Sven-Christian Kindler mit Verweis auf die »brutalen Bomben des russischen Diktators«. In bezug auf die Aufrüstung der BRD kündigte Pistorius am Mittwoch im ZDF-»Morgenmagazin« an, dass in »alle Bereiche« der Bundeswehr investiert werde. Dafür müsse sein Ministerium »mit der Rüstungsindustrie im engen Austausch bleiben«.

100 Milliarden Euro – ein Fünftel des sogenannten Sondervermögens – sind für die Länder vorgesehen und könnten so die Kommunen erreichen. Dort müsse das Geld »möglichst frei von Bürokratie und zusätzlichem Zeit- und Personalaufwand« ankommen, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, am Mittwoch gegenüber der Funke-Mediengruppe. Über konkrete Vorhaben solle auf dieser Ebene entschieden werden. Die AfD-Abgeordnete Carolin Bachmann kritisierte in einer Pressemitteilung von Mittwoch das »Schuldgeld für die Kommunen« hingegen als einen »falschen Weg«, da es durch »soziale Ausgaben für Flüchtlinge und die Subventionierung der Energiewende« aufgezehrt werden würde.

Großflächiger Protest blieb am Dienstag aus. Nach kleineren Kundgebungen am Morgen und Mittag versammelten sich am frühen Abend laut Veranstaltern rund 500 Menschen, die laut »Schluss mit den Kriegskrediten« forderten. Aufgerufen hatte ein Bündnis linker und revolutionärer Gruppen. In seiner Rede nannte der frisch in den Bundestag gewählte Linkspartei-Abgeordnete Ferat Koçak aus Berlin-Neukölln den Bundestagsbeschluss ein »gigantisches Aufrüstungsprogramm«. In seinem Bezirk gebe es Kürzungen in Höhe von 571 Millionen Euro, gleichzeitig schaffe die Bundeswehr für 8,3 Milliarden Euro 35 US-Kampfjets an. »Milliarden für Waffen, Cents für Menschen«, so Koçak.

Gegenüber junge Welt sprach der Autor und Podcaster Fabian Lehr vor Ort von »Kanonen statt Butter«. Mit »grüner Rückendeckung« beschließe Merz »ein Deutschland, für das wir gut und gerne sterben können«. Eine ähnliche Prophezeiung machte auch Tabea Krug von der Hochschulgruppe »Waffen der Kritik«. Die verantwortlichen Politiker würden eine Zukunft planen, in der »wir nicht in Hörsälen sitzen, sondern in Kasernen marschieren«, so die Studentin. René Arnsbrug, Verdi-Landesbezirksvorstand Berlin-Brandenburg, sah indessen die Gewerkschaften in der Verantwortung. Diese seien angehalten, die »Interessen aller Beschäftigten über Ländergrenzen hinweg zu vertreten«.

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