Schlüssel zum Verständnis: Die Weltformel
Von Marc Hieronimus
Erst wusste er gar nicht, was er da gefunden hatte. Man stieß ja auf so manches beim Reinemachen. Jedenfalls Reuter. Man durfte nicht zu oft in all die Ritzen, Falten, Hohl- und Zwischenräume gucken, damit sich etwas sammelte, und nicht so selten, dass es schon hervorquoll und Begehrlichkeiten weckte. Nun hatte er also wieder mal den Dielenboden und die Innenisolierung abgeschraubt und nach kaum einer Woche diesen kapitalen Schatz gehoben.
Dem Fundgut ist der tiefere Zweck nicht immer anzusehen. Die Gleitcremebrille etwa, die er gestern mühsam aus dem Mörtel unter der Türschwellendiele herausgemeißelt hatte, bereitete ihm herrlich schlüpfrige Gefühle beim Betrachten seiner Tauchausrüstungskataloge. Ein anderer hätte sie wohl weggeschmissen oder gar nicht erst entdeckt. So sind die Leute. Keinen Sinn für so was. Und sitzen auf Schätzen. Da könnte er doch schön mal mit dem Akkuschrauber kommen, dachte er so oft, es wäre nur zu ihrem Besten. Aber das wollten sie natürlich auch nicht.
Jetzt beschäftigte ihn dieser kleine Zettel. Reuter zog die Brille auf, die Zeichen fingen an zu tanzen. Ein Zwiebelschnaps beruhigte sie, gab ihnen Tiefe. Es war die Weltformel, soviel verstand er schon, ein langer Strang abstraktester Symbole, die, richtig gelesen, nicht nur Einstein und Planck, Natur und Kultur in Einklang bringen konnten, sondern auch Jekyll und Hyde, Stumpf und Stiel, Strich/Faden, Katze/Maus, Sodom/Gomorrha und viele andere mehr. Die Formel war auf einen Artikel über einen Strand in England gekritzelt, an dem seit Jahren, vielleicht Äonen, nur rechte Schuhe angeschwemmt wurden, niemals aber linke. Vielleicht lag dort der Schlüssel zum Verständnis. Oder der zu seiner Kellertür. Oder wenigstens ein paar seiner verlorenen Socken. Die rechten wahrscheinlich.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (19. März 2025 um 20:40 Uhr)Schluss mit dem Alarmismus! Die Materie unterliegt seit jeher ständigen Veränderungen – zyklische Schwankungen sind ein natürlicher Bestandteil der Weltformel: Siehe sin(alpha)! Und was ergibt ein integrierter Sinus? Na, wieder was wackeliges. Alarmismus in der jW darf nur der Pomrehn.
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