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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 10 / Feuilleton
Kulturpolitik

»Das ist kein Business as usual«

Die steirische Kulturszene probt geschlossen den Aufstand gegen die neue rechte Landesregierung. Ein Gespräch mit Stefan Schmitzer
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Kein Bock auf rechte Traditionspflege: Antifaschistische Demonstration in Graz am 3. Februar 2024

In der Steiermark ist nach den Landtagswahlen im vergangenen Herbst eine neue rechte Koalition unter der Führung der rechtspopulistischen FPÖ mit der konservativen ÖVP als Juniorpartner ins Amt gekommen, die andere kulturpolitische Akzente setzt als die Vorgängerregierung. So weit, so alltäglich?

Meiner Meinung nach ist das nicht alltäglich. An der alten Landesregierung war ja auch die ÖVP beteiligt. Der frühere Landeshauptmann Christopher Drexler von der ÖVP hat sich in der Kulturpolitik um eine weltoffene Bürgerlichkeit bemüht und eine »Kulturstrategie 2030« in Auftrag gegeben, bei der die Entpolitisierung der Fördergremien ein wichtiger Punkt war. Das waren ernsthafte, glaubwürdige Bemühungen. Die neue Landesregierung unter rechtsradikaler Führung hat diese leidlich weltoffene Strategie jetzt anscheinend kassiert. Das ist kein Business as usual.

Praktisch die gesamte steirische Kulturszene hat einen offenen Brief an den für Kultur zuständigen Landesrat Karlheinz Kornhäusl, ebenfalls von der ÖVP, unterzeichnet. Was wirft man ihm vor?

Der erste Vorwurf ist die Rücknahme der Entpolitisierung des Kulturkuratoriums, eines beratenden Gremiums, und seine Besetzung mit Parteisoldaten, einige mit rechtsextremem Hintergrund. Der zweite Vorwurf betrifft die Kürzungen. Es ist evident, dass das Land Steiermark sparen muss. Die Sparmaßnahmen, die jetzt kommen, sind die, die man von einer rechts-rechten Regierung erwartet, und treffen nicht die Teile der Bevölkerung, die das verkraften könnten, sondern die, die eh schon an der Kippe stehen. In der Kultur betrifft es nicht zuerst die großen und mittleren Kulturbetriebe und Vereine, Kunsthaus, Oper oder das Universalmuseum Joanneum, sondern die kleinen. In der Steiermark gibt es Institutionen und Träger, die fünfjährige Förderverträge haben, und solche mit dreijährigen wie die Literaturzeitschriften. Am härtesten wird es aber die treffen, die ihre Förderung Jahr für Jahr neu beantragen müssen. Ersten Projekten wie der kritischen Wandzeitung Ausreißer wurde die Förderung bereits komplett gestrichen.

Was befürchtest du konkret für die Zeitschrift Perspektive?

Wir haben einen dreijährigen Vertrag, der wird heuer evaluiert für die Jahre 2026 bis 2028. Selbst ohne die neue Regierung hätten wir befürchten müssen, dass wir inflationsbedingt künftig weniger Geld zur Verfügung haben. Jetzt ist damit zu rechnen, dass wir noch einmal runtergekürzt werden. Wenn das passiert, stellt sich ernsthaft die Frage, ob Perspektive von einem professionell geführten zu einem Hobbyprojekt zurückgestuft werden muss, weil es sich für die Beteiligten einfach nicht mehr auszahlt, das hauptberuflich zu machen.

Dass Budgetkürzungen in erster Linie die freie Szene treffen, ist leider immer und überall und auch ohne die FPÖ zu beobachten. Gibt es darüber hinaus so etwas wie eine inhaltliche kulturpolitische Agenda der FPÖ?

Man muss das nicht notwendigerweise als rechtsradikale Strategie sehen, aber es gibt die Bemühung, für die sogenannte Volkskultur eigene Budgets und Gremien zu etablieren. Bis jetzt mussten Blasmusikvereine und Traditionsverbände um die gleichen Fördergelder anstehen wie beispielsweise wir. Es scheint so zu sein, dass die Rechten jetzt versuchen, diesen Teil der Kultur abzukoppeln und so abzusichern, dass es in diesem Bezirk dann gar keine kritischen, weltoffenen, von der »Tradition« abweichenden Dinge mehr geben wird.

Am Donnerstag, den 20. März, findet eine Demo statt. Was sind jetzt die Hauptforderungen?

Wir fordern eine erneute Neubesetzung des Kulturkuratoriums und protestieren gegen Kürzungen, die für die Kulturszene in der Steiermark existenzgefährdend wären.

Hält es die Landesregierung durch, sich die gesamte Kulturszene zum Feind zu machen?

Das kann ich nicht sagen. Bemerkenswert ist aber, dass tatsächlich die ganze steirische Kultur, vom Kunsthaus und vom Steirischen Herbst abwärts, hinter den Forderungen steht. Bis jetzt ist es angesichts von Sparmaßnahmen immer zu Neiddebatten und internen Anfeindungen gekommen zwischen denen, die sichere Verträge haben, und den kleinen, spezialisierten Betrieben und Vereinen. Aber das passiert diesmal augenfällig nicht. Alle haben ein Interesse daran, dass die neue Landesregierung ihre Pläne zurücknimmt und deutlich macht, dass sie verstanden hat, dass es so nicht geht.

Stefan Schmitzer ist Autor und Redakteur der Literaturzeitschrift Perspektive in Graz

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