Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 20.03.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Kunst kommt von Müssen

Der Kunstbetrieb, das Ressentiment und die Kritik daran: Camilla Guttners Spielfilm »Die Akademie«
Von André Weikard
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Wer Tugend hat und Kunst, wird nimmer nie vertrieben

Ein Mann sitzt in einem tropfenden Iglu und löffelt Ravioli aus der Dose. Ein anderer im grauen Overall zieht eine Discokugel in Eiform auf dem Bollerwagen hinter sich her. Ein dritter liegt in einen Teppich eingewickelt im Raum, während ein Hund ihm die nackten Füße abschleckt. Genau, alles Kunst, wir sind in einem Museum. Noch genauer, in der Münchner Akademie für Bildende Künste. Jojo (Maja Bons) ist hier vor kurzem in die Meisterklasse von Professor Copley (Jean-Marc Barr) aufgenommen worden. Cool eigentlich. Aber bald lernt sie den Kunstbetrieb kennen, den akademischen wie den kapitalistischen. Beide sind höchst eigenartig.

In der Meisterklasse wird ziemlich wahllos gelobt und verrissen, wortreich davon gesprochen, was »berührt« und was nicht, was »stark« ist oder eben schwach. Und für die Schwachen ist kein Platz an der Akademie. Etwa für Jojos Freundin Siri (Luise Aschenbrenner). Die fällt bei ihrem Prof, einem Zyniker erster Klasse, gespielt von Andreas Lust, gnadenlos durch. Schließlich schmeißt er sie raus.

»Scheiß auf die Aka«, sagt Jojo. Und lässt sich doch zunächst auf das Spiel ein. Sie malt ein Familienporträt für die Münchner Schickeria, diskutiert mit, ob »painting« von »pain« oder »Kunst« von »Können« komme, gibt sich mit aufdringlichen wie dümmlichen Galeristen ab. Zitate von berühmten Künstlern und Anspielungen an jeder Ecke. Da schneidet sich zum Beispiel einer mit dem Rasiermesser die Stirn auf wie einst Rainald Goetz in Klagenfurt.

Das fühlt sich, so klischeebesetzt es ist, ziemlich echt an. Womöglich, weil Camilla Guttner, die Drehbuch, Regie und Produktion besorgt hat, selbst bis vor einigen Jahren Meisterschülerin in München war. Guttner, in der Münchner Künstlerszene offenbar gut vernetzt, hat unter anderem die Band The Notwist für einen Cameoauftritt gewinnen können, der Schweizer Sänger Dagobert spielt sich gleich selbst. Ihm zugedacht ist eine mystische, wortkarge Rolle. Immer im schwarzen Anzug, darf er auf die Frage, wie lange er weggehe, antworten: »Erst mal für immer.« Oder auf die Frage, ob er fertig sei: »Nichts ist jemals fertig.« Gemeinsam mit dem Mann in Schwarz steht Jojo mal vor diesem, mal vor jenem Kunstwerk. »Nichts als heiße Luft« heißt eins. Ein Rohr, das aus der Galeriewand ragt und geräuschlos Dampf ausbläst. Jojo gefällt’s. Dagobert auch.

Schon klar, Kritik am Kunstbetrieb ist wohlfeil. In »Die Akademie« geht es aber noch um etwas anderes. Der Film macht sich nicht nur lustig über Kunstkritiker mit überdimensionierten Brillen, über die Phrasendrescherei des Kunstestablishments und die Geltungssucht der Künstler. Der Film erzählt auch ganz universell von einer jungen Studentin, die ihren Platz im Leben noch finden muss. Ihren künstlerischen Ausdruck, vor allem aber ihre Ethik, ihre Prioritäten. Jojo lernt, sich vom Urteil anderer freizumachen. Auch wenn darüber Beziehungen und Freundschaften zu Bruch gehen. Kunst von Können? Pah, Kunst kommt von Müssen. Und das lernt Jojo nicht in der Akademie. Sondern in der Schule des Lebens.

»Die Akademie«, Regie: Camilla Guttner, Deutschland 2024, 104 Min., Kinostart: heute

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