Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 21.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Für die EU an die Front

Gastkommentar: EU legte »Weißbuch Verteidigung« vor
Von Özlem Alev Demirel
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In der Panzerschmiede Rheinmetall (Kassel, 25.7.2023)

Seit ihrem Amtsantritt 2019 arbeitet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf allen Ebenen daran, die EU-Militärunion umzurüsten, um weiterhin mit am Tisch zu sitzen, wenn der Kuchen, also die Welt, neu aufgeteilt wird. Neu ist der Kerngedanke des Mitte der Woche vorgelegten »Weißbuch Verteidigung« der EU also nicht. Es formuliert nur viel offener den Machtkampf aller Großmächte. Ja, es ist ein Vorbote der steigenden Kriegsbereitschaft.

Das »Weißbuch« zeigt dabei hauptsächlich auf Russland, aber es geht ebenso um China und die USA. Denn das sind die Großmächte, mit denen die EU um Märkte und Ressourcen der Zukunft streiten muss und gegenüber denen sie ihre robusten militärischen Fähigkeiten unter Beweis stellen möchte. Denn die militärischen Kapazitäten der EU-Staaten sind denen Russlands – mit Ausnahme der Nuklearkapazitäten – längst um ein Vielfaches überlegen und würden allein keine solchen Hochrüstungen rechtfertigen.

Über die Steigerung der heimischen Waffenproduktion und die gezielte Bündelung europäischer Rüstungsaufträge soll nun eine kritische Größe erreicht werden, um auch mit US-Konzernen konkurrieren zu können. Nicht nur bei der eigenen Aufrüstung, sondern auch auf den weltweiten Exportmärkten. Die aktive Industriepolitik der EU besteht schon seit geraumer Zeit darin, als verlängerter Arm der Waffenindustrie zu dienen, während eine Industriepolitik, die Rechte der Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze schützt, vergeblich zu suchen ist.

Und den Arbeitern und Arbeiterinnen, die derzeit Sorgen um ihre Arbeitsplätze haben, werden neue Jobs in den Rüstungsschmieden versprochen, die täglich neue Rekordaktienkurse verbuchen. Es sind vergiftete Versprechen, denn es werden die Armen und Arbeitenden sein, die unter dem Druck der Produktivitätssteigerungen am stärksten für die Aufrüstung aufkommen werden müssen; ganz zu schweigen von den Sozialkürzungen und dem Fall eines heißen Krieges, bei dem sie den Blutzoll tragen müssen.

»Wenn Du Frieden willst, bereite den Krieg vor« war die Logik der alten Römer, die jetzt wie ein Mantra von den Verwaltern der EU-Institutionen – von Kommissarinnen, Abgeordneten oder (selbst)ernannten Experten – wiederholt wird. Die Waffensysteme, die jetzt noch ausgebaut werden, führen uns aber nicht nur gedanklich in die Antike zurück, sondern können uns ebenso gut in die Steinzeit bomben.

Das ist brandgefährlich und ein Fingerzeig auf die kommenden Kriege um die Aufteilung und Neuordnung der Welt. Und wir sollen für die EU mit an die Front. Wer das nicht will, hat im Moment nur eine Chance: Wir müssen ihre Lügen und Narrative aufbrechen, mit denen sie die Aufrüstung der Bevölkerung schmackhaft machen, Alternativen aufzeigen und eine starke Gegenbewegung aufbauen, um das alles zu verhindern. Denn wie Rosa Luxemburg schon 1914 mahnte: Gegen die Mehrheit des Volkes sind Kriege nicht möglich.

Die Autorin ist Abgeordnete von Die Linke im EU-Parlament

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Detlev S. aus Gaggenau (21. März 2025 um 11:15 Uhr)
    Es gibt wohl keinen größeren seelischen Schmerz als den Verlust des eigenen Kindes. Jedes halbwegs sozialisierte Wesen zerbricht, meist irreversibel, nach einem solchen Trauma. Die Protagonisten der »Kriegstüchtigkeit« mögen mir bitte eine Mutter zeigen, welche von sich behauptet, dass sie stolz darauf sei, dass ihr Sohn in Afghanistan zerstückelt wurde, weil er die Interessen Deutschlands »am Hindukusch heldenhaft verteidigt hat«! Man möge mir bitte eine Mutter zeigen, die Stolz auf die Taten ihres als psychischer Totalschaden zurückgekehrten Kindes ist, weil er »Mädchenschulen bauen« und »Brunnen bohren« wollte. Der immer wieder dargebotenen Aussage, dass der Mensch einen »angeborenen Killerinstinkt« besitzt und sein innerstes Wesen kriegerisch eingestellt ist, kann mit der Evolutionstheorie gekontert werden. Als die ersten Affen nackt vom Baum stiegen, verfügten sie immerhin noch über ein Fell. Homo Sapiens verfügt weder über ein Außenskelett, weder über Hörner noch über Klauen, Reißzähne oder ähnliches. Wenn »Mensch« sich im Spiegel betrachtet, sieht er ein – im Gegensatz zur Tierwelt – anfälliges Wesen. Ein Schnitt mit einem Skalpell an der richtigen Stelle und seine Innereien würden ihren von der Natur vorgesehenen Platz verlassen. Was genau soll daran »kriegstüchtig« sein? Es bedarf eines hohen Aufwandes, Kinder zu sozialen Wesen zu erziehen. Viel einfacher ist es, Menschen zu primitivisieren und zu brutalisieren! Es ist leichter, ein weißes Blatt Papier zu beschmieren, als ein Kunstwerk auf ihm zu gestalten. Mancher behauptet, man sollte die zum Heldenmut degenerierten Kriegstüchtigen mit entsprechender Literatur konfrontieren. Es steht allerdings zu befürchten, dass einige dieser Herrschaften den Anblick zerstückelter Leichen als »stimulierend« einordnen würden. Eines muss man den »Führungskräften« und Medienschaffenden lassen: es ist ihnen gelungen den evolutionären Entwicklungsstand innerhalb von 35 Jahren um Jahrhunderte zurückzuschrauben.
  • Leserbrief von AG (20. März 2025 um 21:30 Uhr)
    Sehr begrüßenswert. Aber folgendes stimmt einfach nicht: »Denn die militärischen Kapazitäten der EU-Staaten sind denen Russlands (…) – längst um ein Vielfaches überlegen« Es wird wohl nötig sein eine Analyse der Greenpeace-Studie der NATO anzufertigen. Aber vorerst mögen sich alle selber ein Urteil fällen. Ich empfehle, die Fußnoten anzusehen und die Quellen zu prüfen. https://presseportal.greenpeace.de/243451-greenpeace-studie-nato-ubertrifft-russland-militarisch. Praktisch alle stammen aus jüngster Zeit von NATO/US-regierungsnahen Think-Tanks die von der US-Waffenindustrie bezahlt werden: CSIS, ISW, RUSI, Atlantic Council, Heritage Foundation usw. Das heißt also, eine Studie, die von allen deutschen NATO-Gegnern als Referenz benutzt wird – um NATO zu kritisieren – operiert mit Quellen von Pro-NATO-Einrichtungen. Wenn das mal nicht schizophren ist. Und zwei weitere Hinweise: Es gibt, glaube ich, in der ganzen Studie keine einzige russische Quelle, oder z. B. chinesische, die zitiert würde. Das nenn ich mal Käseglocke. Außerdem zitieren diese Think-Tanks bzgl. des Ukraine-Krieges natürlich zu 90 Prozent die ukrainische Armee, Vert. Minist., Regierung. Aber wie kann man denen bitte vertrauen? Eine Regierung, die ernsthaft behauptet hat, die russische Armee hätte 500.000 Tote während die AFU 20.000 erlitten hätte. Und andere ähnlich wahnwitzige Zahlen. So ziemlich jede dieser Behauptungen aus antirussischen, westukrainischen PR-Werkstätten, hat sich als Märchen entpuppt. Der US-Info-Apparat, auf den sich die Greenpeace-Studie stützt, fabriziert keine seriösen Analysen, sondern PR. Da die Bevölkerungen der NATO-Staaten nicht im Krieg bluten müssen, kann man es sich dort leisten, Illusionen zu verkaufen. Es wird ein Krieg verkauft, der so nie statt gefunden hat. Und damit werden auch die Zahlen über diesen Krieg, die der Studie zugrunde liegen, vollkommen bedeutungslos. Zum Einstieg: https://deepdivewithleeslusher.substack.com/p/the-state-of-western-warcraft

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