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Aus: Ausgabe vom 21.03.2025, Seite 14 / Medien
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US-Präsident Trump streicht Auslandspropagandasendern die Gelder. Betroffen sind etwa Radio Free Europe und Kanäle, die gegen China und Kuba senden
Von Reinhard Lauterbach
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Auf die USA will nun Tschechien mit der EU als Geldgeber von RFE/RL folgen

Mehreren US-Propagandasendern droht offenbar kurzfristig das Aus. US-Präsident Donald Trump hatte vergangene Woche der United States Agency for Global Media (USAGM), die ein weltweites Netz von Kurzwellen- und Internetsendern betreibt, einen Großteil der Mittel gestrichen. Er begründete dies mit Sparplänen; sein Stichwortgeber Elon Musk nannte die verdienten Propagandisten »linke Spinner, die mit sich selbst sprechen«.

Betroffen sind das 1951 gegründete und seit 1995 aus Prag sendende Radio Free Europe (RFE) und sein spezifisch auf die Sowjetunion und ihre Nachfolgestaaten orientiertes Schwesterprogramm Radio Liberty (RL), aber auch ein für die publizistische Bekämpfung Chinas gegründetes Radio Free Asia sowie das »Office of Cuba Broadcasting«, das den Propagandasender Radio Martí betreibt. Den mehreren tausend Mitarbeitenden wurde bereits gekündigt und mitgeteilt, dass sie ab April kein Geld mehr bekommen würden.

Das Imperium der US-amerikanischen Auslandspropaganda ist von beträchtlichem Umfang. Allein bei RFE/RL in Prag arbeiten bisher rund 1.700 Journalisten, die Programme in 35 Sprachen Eurasiens erstellen. Darunter sind bedeutende Sprachen wie Englisch, Russisch oder Farsi, Dari und Paschtu, aber auch Regionalsprachen wie Tschetschenisch, Tatarisch, Baschkirisch und Krimtatarisch. Die Programme sind damit auch Sprachrohre für Separatisten und Nationalisten aller Couleur. Die für Ostmitteleuropa bestimmten Programme sind seit der erfolgreichen Übernahme der dortigen Länder durch NATO und EU nach und nach eingestellt worden, haben aber für große Teile der Eliten der einst sozialistischen Länder einen hohen emotionalen Wert, weil deren Vertreter mit den Programmen aus München sozialisiert worden sind. Derzeit konzentriert sich die Sendetätigkeit auf Russland und die Staaten Zentralasiens sowie des Nahen Ostens.

Ursprünglich hatte RFE/RL von München aus auf Kurz- und Mittelwelle gesendet und war vor der Perestroika in den sozialistischen Staaten je nach politischer Konjunktur systematisch gestört worden. RFE war von entscheidender Bedeutung dafür, dass die Geheimrede von Nikita Chruschtschow »Über den Personenkult und seine Folgen« auf dem 20. Parteitag 1956 nicht lange geheim blieb – das Manuskript, das zur internen Information an die Teilnehmer und Gäste des Parteitags ausgehändigt wurde, wurde kurz nach dem Parteitag aus Polen an RFE/RL durchgestochen. Ohne Einwilligung der damaligen Führung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei ging das nicht.

Die Dankbarkeit von RFE für diesen mit polnischer Hilfe erzielten Scoop hielt sich gleichwohl in Grenzen: RFE sendete Statements aller möglichen Dissidenten und spielte ab 1980 eine bedeutende Rolle für die Ausbreitung der Protestgewerkschaft gegen die Volksrepublik Polen, »Solidarność«, indem es Öffentlichkeit für ihre Forderungen herstellte. Seit Beginn des laufenden Jahrhunderts hat sich RFE/RL einen umfassenden Internetauftritt aufgebaut und ist trotz seiner parteiischen Ausrichtung für entlegene Regionen Zentralasiens oft die einzig verlässliche Informationsquelle für den professionellen Gebrauch. Ähnliches gilt für die Länder des »Westbalkans«. Dazu tragen Reporter bei, die die Landessprachen beherrschen, was bei den »Leitmedien« nicht regelmäßig der Fall ist.

Die Entscheidung der Trump-Administration zur Streichung eines Großteils der Mittel für die Auslandspropaganda ist von den Betroffenen, von journalistischen Berufsverbänden und von EU-Politikern in teils scharfer Form kritisiert worden. Radio Free Europe-Chef Stephen Capus sprach von einem »Geschenk an die Diktatoren dieser Welt«. Ähnlich äußerte sich die Organisation »Reporter ohne Grenzen«.

Die tschechische Regierung kündigte an, sie wolle bei der EU erwirken, dass Brüssel zumindest einen Teil der Arbeit von RFE weiter finanziert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ließ andeuten, dass sie für den tschechischen Vorstoß offen sei. Im Vergleich zu den 150 Milliarden Euro, die die EU für die materielle Rüstung bereitstellen will, ist die knappe Milliarde Euro, die sich der US-Staat die Tätigkeit von RFE und seinen Schwestersendern in Asien und Lateinamerika zuletzt hat kosten lassen, tatsächlich keine allzu große Summe.

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