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Aus: Ausgabe vom 22.03.2025, Seite 4 / Inland
Staat und RAF

Antikapitalismus vor Gericht

Prozessbeginn gegen mutmaßliches Ex-RAF-Mitglied Daniela Klette am Dienstag
Von Kristian Stemmler
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Solidarität mit Daniela Klette: »Terroristisch ist das System« (Berlin, 9.3.2024)

Das Medienaufgebot dürfte groß werden, denn mit der Dämonisierung der RAF lässt sich immer noch Quote und Auflage machen. Im niedersächsischen Celle beginnt am kommenden Dienstag der Prozess gegen Daniela Klette, die einst Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) gewesen sein soll. Vor dem Landgericht Verden ist die 66jährige, die seit Februar 2024 in Vechta in Untersuchungshaft sitzt, der Beteiligung an 13 bewaffneten Raubüberfällen angeklagt. Die ersten Verhandlungstage finden in einem Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle statt. Frühestens Ende Mai steht dann im Landkreis Verden ein Saal zur Verfügung, der den hohen Sicherheitsanforderungen genügt.

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft Klette vor, zwischen 1999 und 2016 – also nach der Auflösung der RAF im Jahr 1998 – gemeinsam mit den ehemaligen RAF-Mitgliedern Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg Geldtransporter und Supermärkte in Norddeutschland überfallen zu haben. Das Trio habe dabei insgesamt 2,7 Millionen Euro erbeutet und so ihr Leben im Untergrund finanziert. Laut Anklage sollen Klette, Garweg und Staub bei den Überfällen Personen mit Schusswaffen oder Elektroschockern bedroht haben. Klette war demnach meist die Fahrerin des Fluchtautos.

Von besonderer Brisanz ist, dass die Anklage der geborenen Karlsruherin neben versuchtem und vollendetem Raub auch versuchten Mord vorwirft. Dabei geht es um einen Überfall in Stuhr, südlich von Bremen, im Juni 2015, bei dem Schüsse auf einen Geldtransporter abgegeben worden sein sollen. Zwei Schüsse drangen in die Fahrerkabine ein, die Geldboten blieben aber unverletzt. Die Verteidigung der Angeklagten hat wiederholt erklärt, dass nicht gezielt auf den Fahrer des Geldtransporters geschossen wurde.

Klette bestritt bereits, einen Mordversuch begangen zu haben. In einer Stellungnahme, aus der die Süddeutsche Zeitung im August zitierte, sprach sie von staatlicher »Denunziation« und »Medienhetze« gegen sie, Garweg und Staub. Die Staatsanwaltschaft Verden konstruiere die Geschichte einer skrupellosen Bande, so Klette. Das Töten von Menschen zur Geldbeschaffung sei für »Menschen aus der Geschichte der revolutionären Linken in der BRD« niemals infrage gekommen. In einem vom Schauspieler Rolf Becker vorgetragenen Grußwort auf der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz, organisiert Anfang des Jahres von junge Welt, erklärte Klette, der Prozess gegen sie sei ein Prozess gegen eine emanzipatorische, linksradikale und antikapitalistische Opposition. Sie freue sich über jede Form der Solidarität.

Klette wird wie Garweg und Staub der sogenannten dritten Generation der RAF zugerechnet. Zuletzt lebte sie unter falscher Identität in einer Mietwohnung in Berlin-Kreuzberg, wo sie Ende Februar 2024 mit martialischem Polizeiaufgebot festgenommen wurde. Für den ersten Prozesstag ist die Verlesung der Anklage vorgesehen, die mehr als 600 Seiten umfasst. Drei Nebenkläger – Ziele der damaligen Raubüberfälle – sind Teil der Verhandlung. Klettes Verteidiger Lukas Theune hat eine kurze Erklärung seiner Mandantin angekündigt. Sie blicke »kämpferisch« auf das Verfahren, erklärte der Berliner Anwalt. Die Verteidigung fordert ein faires Verfahren. »Frau Klette soll nicht besser oder schlechter gestellt werden als irgendeine andere angeklagte Person«, so Theune.

In dem am Dienstag beginnenden Prozess geht es nur um die Raubüberfälle, bei denen die Ermittler keinen terroristischen Hintergrund ausmachen konnten. Möglicherweise kommt es aber noch zu einem weiteren Verfahren, in dem Klettes angebliche Beteiligung an Anschlägen der RAF thematisiert wird. Seit März 2024 gilt für Klette ein Haftbefehl der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Ihr wird versuchter Mord in zwei Fällen sowie versuchte und vollendete Sprengstoffexplosionen in Mittäterschaft bei drei RAF-Anschlägen vorgeworfen. Der Straftatbestand der RAF-Mitgliedschaft ist laut Bundesanwaltschaft inzwischen verjährt.

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