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Aus: Ausgabe vom 22.03.2025, Seite 4 / Inland
»Budapest-Komplex«

Keine Kapitulation

»Budapest-Komplex«: Antifaschistin Emmi stellt sich nach zwei Jahren im Untergrund den Behörden
Von Henning von Stoltzenberg
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»Genug der Naziverherrlichung«: Proteste gegen jährlichen Neonaziaufmarsch in Budapest (8.2.2025)

Am Donnerstag hat sich in Jena eine weitere Beschuldigte im »Budapest-Komplex« den Behörden gestellt. Der Antifaschistin Emilie D., auch Emmi genannt, wird vorgeworfen, im Februar 2023 beim Neonazievent »Tag der Ehre« in der ungarischen Hauptstadt an Angriffen auf Faschisten beteiligt gewesen zu sein. Über zwei Jahre hinweg hatte sie sich erfolgreich der staatlichen Verfolgung entziehen können, bevor sie entschied, sich in Untersuchungshaft zu begeben und einem Prozess zu stellen.

Bereits im Januar hatten sich insgesamt sieben Antifaschisten den Behörden gestellt, andere waren von der Polizei aufgespürt worden. Damit befinden sich derzeit elf in diesem Verfahren Beschuldigte in Haft. D. nimmt darauf in einem kurzen Statement auf der Internetplattform Indymedia Bezug: »Der Vorwurf versuchter Tötungsdelikte, der vom Generalbundesanwalt gegen einige von uns erhoben wird, ist eine politisch motivierte Eskalation und an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Er dient – ähnlich wie der Vereinigungsvorwurf – der Abschreckung und Legitimation des Vorgehens gegen antifaschistische Praxis.« Es sei offensichtlich, dass die gegenwärtige antifaschistische Bewegung nicht darauf ausgerichtet sei, Nazis zu töten, das sei auch dem Generalbundesanwalt bekannt.

Das Budapest Antifascist Solidarity Committee, kurz: BASC, betont, dass die Entscheidung, sich den Behörden zu stellen, keinesfalls als Kapitulation zu verstehen sei. Vielmehr sei sie eine mutige Konsequenz einer politischen Haltung, »denn auch die selbstbestimmte Entscheidung, das Leben im Untergrund gegen eines im Gefängnis zu tauschen, ist Teil des politischen Kampfes, den die Beschuldigten führen. Er hört an dieser Stelle der Geschichte nicht auf, sondern begibt sich lediglich in eine neue Phase«, heißt es auf der Website des Zusammenschlusses. Nun liege es an allen, den Inhaftierten in diesen herausfordernden Zeiten beizustehen.

Über all den anstehenden Prozessen schwebt nach wie vor die Gefahr einer Auslieferung nach Ungarn, wo den Beschuldigten bis zu 24 Jahre Haft drohen. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, warum die zur »kriminellen Vereinigung« erklärten Antifaschisten ursprünglich untergetaucht waren.

Während die französische und italienische Justiz es ablehnen, Beschuldigte im »Budapest-Komplex«-Verfahren an Ungarn zu überstellen, hatten die deutschen Behörden die nichtbinäre Person Maja T. im Juni 2024 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ausgeliefert. Diese Maßnahme wurde nachträglich vom Bundesverfassungsgericht als unrechtmäßig eingestuft, was die Situation für die anderen Angeklagten verbessert.

Die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe sieht im »Budapest-Komplex« ein Paradebeispiel für einen »hemmungslosen Verfolgungseifer« der Staatsgewalt und fordert ein Ende der Jagd auf Antifaschisten. »Wir sind solidarisch mit Emmi und ihrem Entschluss, sich den Behörden zu stellen. Unsere Solidarität gilt auch allen anderen Verfolgten, die wegen der Beschuldigungen im ›Budapest-Komplex‹ in Haft oder auf der Flucht sind«, so Rote-Hilfe-Sprecherin Anja Sommerfeld am Donnerstag.

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