Das Ende vom Lied
Von Nico Popp
Zuletzt begegnete hier und da die Auffassung, dass die Linkspartei, sollte denn die Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderungen im Bundesrat auch ohne die Stimmen Bremens und Mecklenburg-Vorpommerns stehen, entschlossen auf Opposition machen und eine Enthaltung der beiden Länder, in denen sie mitregiert, durchsetzen würde. Diese Einschätzung zeugt zwar von einer gewissen Klarheit, weil in erster Linie Schauspielerei erwartet wird, erweist sich aber als immer noch illusionsbeladen: Am Freitag haben die Vertreter der beiden Länder zugestimmt, obwohl es auf diese sechs Stimmen gar nicht ankam. Die Linke macht also mit, obwohl sie nicht »muss« – statt der üblichen Mischung aus Verlogenheit und Konfusion ist das mal eine fast erfrischende Klarheit.
Die beiden Landesverbände haben am Freitag Erklärungen herausgegeben, die um präventive Abwiegelung bemüht sind und allein deshalb Beachtung verdienen, weil sie einmal mehr Dokumente eines forcierten politischen Verfalls sind. »Wir finden es falsch, dass die Schuldenbremse einseitig für Verteidigungsausgaben geöffnet wird«, lautet die – mit der Zustimmung zur »einseitigen« Grundgesetzänderung bekräftigte – »Kritik« an der Weichenstellung für das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik in der Erklärung aus Mecklenburg-Vorpommern. In Bremen findet man die »Vorfahrt für Rüstung« nicht gut, um dann nachzuschieben, dass es »richtig« ist, »sich ernsthaft mit bestehenden Verteidigungsfragen zu beschäftigen«. Jeder dieser gequält doppeldeutigen Sätze ist Bekenntnis und Hilferuf: Ja, wir sind für »Verteidigung«, dürfen aber nicht so reden wie Baerbock und Strack-Zimmermann.
Nun wird man sich mit Fragen der Mitglieder beschäftigen müssen – also derjenigen, die noch welche haben. Das aber schreckt die nicht, die jetzt, abgesichert durch eine Scheinkritik, in der Frage der Hochrüstung auf die Regierungslinie einschwenken. Der Apparat hat verstanden, dass nach der Bundestagswahl und dem Zustrom vieler Neumitglieder aus dem liberal-»progressiven« Milieu günstige Voraussetzungen bestehen, um die »Friedenspartei« alter Ordnung zu beerdigen und die quälend lange Integration in das gouvernementale Parteienlager abzuschließen.
So immerhin werden die Dinge kenntlich. Rosa Luxemburg hielt es (wie Lenin auch) noch Anfang August 1914 für undenkbar, dass die sozialdemokratische Reichstagsfraktion der Regierung die Mittel für den soeben ausgelösten großen Krieg bewilligen würde; die für sie vorstellbare Variante des Versagens war die Enthaltung. Die Zustimmung zu den Kriegskrediten traf sie folglich wie ein Schlag. Ein Jahrhundert später erfordert es eine ziemlich ausgeprägte politische Blindheit, um eine ablehnende Stellungnahme der aktuellen »linken Opposition« im deutschen Parlament zu erwarten, sollte einmal wieder ein 4. August anstehen. Am Ende vom Lied steht immer der Burgfrieden – in der Linkspartei pfeift man nun etwas lauter.
Siehe auch
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ansichten
-
Achtsame des Tages: Simone Fleischmann
vom 22.03.2025
Die unerwartete Zustimmung zur Kriegsvorbereitung war gut vorbereitet worden. Um die Massen von deutscher Kriegstüchtigkeit zu überzeugen, musste seit Jahren Russophobie aufgebaut werden, die Angst, Putin wolle demnächst eroberungslustig durchs Brandenburger Tor marschieren! Immer wieder wird wider besseres Wissen von Putins »erstem Angriffskrieg in Europa« gesprochen. Hat man die Zerstückelung Jugoslawiens 1999, von Deutschland initiiert und geführt, schon vergessen? Im Mai steht der 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus durch die Rote Armee bevor. Soll demnächst wieder »zurückgeschossen« werden? Ist der »Fall Gleiwitz« schon vergessen? Der Feind steht nicht vor den Toren. Er steht im eigenen Land! Aufklärung und Widerstand gegen die Kriegstreiber tut Not!
bei der Lektüre Ihres lesenswerten Kommentars »Das Ende vom Lied« vom 22. März 2025, verspürte ich Abscheu gegen eine Partei, die sich meines Erachtens seit Jahren fälschlicherweise als »Die Linke« dekoriert und dies nunmehr maßgeblich untermauert durch, für mich keineswegs überraschendes, aber deshalb nicht minder verwerfliches, ja devotes, politisches Verhalten bei der Abstimmung im Bundesrat.
Es kam mir dabei der Spruch »Sancta simplicitas« von Jan Hus in den Sinn, »als ein Mütterchen als ›gutes Werk‹ noch ein Hölzchen auf seinen Scheiterhaufen legte«.
Ich hoffe, dass die Analogie, vom Adjektivattribut »sancta« abgesehen, zumindest ein wenig greift, trotz der Jahrhunderte, die dazwischenliegen.