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Aus: Ausgabe vom 22.03.2025, Seite 8 / Ansichten

Das Ende vom Lied

Linkspartei im Regierungslager
Von Nico Popp
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Veränderung durch Abnicken von Aufrüstungsmilliarden im Bundesrat: Bühne beim Linke-Parteitag (Berlin, 18.1.2025)

Zuletzt begegnete hier und da die Auffassung, dass die Linkspartei, sollte denn die Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderungen im Bundesrat auch ohne die Stimmen Bremens und Mecklenburg-Vorpommerns stehen, entschlossen auf Opposition machen und eine Enthaltung der beiden Länder, in denen sie mitregiert, durchsetzen würde. Diese Einschätzung zeugt zwar von einer gewissen Klarheit, weil in erster Linie Schauspielerei erwartet wird, erweist sich aber als immer noch illusionsbeladen: Am Freitag haben die Vertreter der beiden Länder zugestimmt, obwohl es auf diese sechs Stimmen gar nicht ankam. Die Linke macht also mit, obwohl sie nicht »muss« – statt der üblichen Mischung aus Verlogenheit und Konfusion ist das mal eine fast erfrischende Klarheit.

Die beiden Landesverbände haben am Freitag Erklärungen herausgegeben, die um präventive Abwiegelung bemüht sind und allein deshalb Beachtung verdienen, weil sie einmal mehr Dokumente eines forcierten politischen Verfalls sind. »Wir finden es falsch, dass die Schuldenbremse einseitig für Verteidigungsausgaben geöffnet wird«, lautet die – mit der Zustimmung zur »einseitigen« Grundgesetzänderung bekräftigte – »Kritik« an der Weichenstellung für das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik in der Erklärung aus Mecklenburg-Vorpommern. In Bremen findet man die »Vorfahrt für Rüstung« nicht gut, um dann nachzuschieben, dass es »richtig« ist, »sich ernsthaft mit bestehenden Verteidigungsfragen zu beschäftigen«. Jeder dieser gequält doppeldeutigen Sätze ist Bekenntnis und Hilferuf: Ja, wir sind für »Verteidigung«, dürfen aber nicht so reden wie Baerbock und Strack-Zimmermann.

Nun wird man sich mit Fragen der Mitglieder beschäftigen müssen – also derjenigen, die noch welche haben. Das aber schreckt die nicht, die jetzt, abgesichert durch eine Scheinkritik, in der Frage der Hochrüstung auf die Regierungslinie einschwenken. Der Apparat hat verstanden, dass nach der Bundestagswahl und dem Zustrom vieler Neumitglieder aus dem liberal-»progressiven« Milieu günstige Voraussetzungen bestehen, um die »Friedenspartei« alter Ordnung zu beerdigen und die quälend lange Integration in das gouvernementale Parteienlager abzuschließen.

So immerhin werden die Dinge kenntlich. Rosa Luxemburg hielt es (wie Lenin auch) noch Anfang August 1914 für undenkbar, dass die sozialdemokratische Reichstagsfraktion der Regierung die Mittel für den soeben ausgelösten großen Krieg bewilligen würde; die für sie vorstellbare Variante des Versagens war die Enthaltung. Die Zustimmung zu den Kriegskrediten traf sie folglich wie ein Schlag. Ein Jahrhundert später erfordert es eine ziemlich ausgeprägte politische Blindheit, um eine ablehnende Stellungnahme der aktuellen »linken Opposition« im deutschen Parlament zu erwarten, sollte einmal wieder ein 4. August anstehen. Am Ende vom Lied steht immer der Burgfrieden – in der Linkspartei pfeift man nun etwas lauter.

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  • Leserbrief von Eva Ruppert aus Bad Homburg (3. April 2025 um 17:36 Uhr)
    Wie konnte die Linke in Mecklenburg-Vorpommern und in Bremen – nach ihrem fulminanten Erfolg bei der Bundestagswahl ihre Zustimmung – zwar halbherzig – zu der ungeheuren Aufrüstung der Bundesrepublik geben, angesichts der hoffnungslosen wirtschaftlichen Lage in Deutschland? Auch der bundesweite Aufruf zur Demonstration in Wiesbaden am 29. März 2025 brachte nicht den großen, erwarteten Erfolg.
    Die unerwartete Zustimmung zur Kriegsvorbereitung war gut vorbereitet worden. Um die Massen von deutscher Kriegstüchtigkeit zu überzeugen, musste seit Jahren Russophobie aufgebaut werden, die Angst, Putin wolle demnächst eroberungslustig durchs Brandenburger Tor marschieren! Immer wieder wird wider besseres Wissen von Putins »erstem Angriffskrieg in Europa« gesprochen. Hat man die Zerstückelung Jugoslawiens 1999, von Deutschland initiiert und geführt, schon vergessen? Im Mai steht der 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus durch die Rote Armee bevor. Soll demnächst wieder »zurückgeschossen« werden? Ist der »Fall Gleiwitz« schon vergessen? Der Feind steht nicht vor den Toren. Er steht im eigenen Land! Aufklärung und Widerstand gegen die Kriegstreiber tut Not!
  • Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (25. März 2025 um 17:28 Uhr)
    Es ist Zeit für die dritte Umbenennung der Partei, nach 1989/90 und 2005/07: DIE LINKENDEN.PDS (Partei der Schauspieler) …
  • Leserbrief von Zeljko Taras aus Köln (25. März 2025 um 12:02 Uhr)
    Sehr geehrter Herr Popp,
    bei der Lektüre Ihres lesenswerten Kommentars »Das Ende vom Lied« vom 22. März 2025, verspürte ich Abscheu gegen eine Partei, die sich meines Erachtens seit Jahren fälschlicherweise als »Die Linke« dekoriert und dies nunmehr maßgeblich untermauert durch, für mich keineswegs überraschendes, aber deshalb nicht minder verwerfliches, ja devotes, politisches Verhalten bei der Abstimmung im Bundesrat.
    Es kam mir dabei der Spruch »Sancta simplicitas« von Jan Hus in den Sinn, »als ein Mütterchen als ›gutes Werk‹ noch ein Hölzchen auf seinen Scheiterhaufen legte«.
    Ich hoffe, dass die Analogie, vom Adjektivattribut »sancta« abgesehen, zumindest ein wenig greift, trotz der Jahrhunderte, die dazwischenliegen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Peter S. (23. März 2025 um 19:44 Uhr)
    Im Unterschied zu 1933 könnte man sagen, endlich gehen SPD und Linke (vergleichsweise SPD und KPD) in die selbe Richtung! Wobei dieselbe Richtung hier aktuell die falsche Richtung ist. Nun, für die historisch gesehene »Umfallerpartei« SPD hat diese Richtung (1914, 1918, 1933, 1945, 1989, 1990 bis heute) schon immer gestimmt. Für die Linke sollte diese Richtung eigentlich nicht stimmen! Leider ist es zu spät, die sogenannte Linke nähert sich der SPD an und wird zur »Umfallerparetei«.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael M. aus Berlin (24. März 2025 um 14:05 Uhr)
      1933 stimmt nicht. Die SPD hatte als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt. Allerdings war sie damals noch tatsächlich eine Arbeiterpartei, kein Beamtenverein wie heutzutage. Zugestimmt haben damals alle bürgerlichen Parteien, ob christlich, liberal oder sonstwas.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Kurt W F. (24. März 2025 um 20:57 Uhr)
        »Allerdings war sie damals noch tatsächlich eine Arbeiterpartei, kein Beamtenverein wie heutzutage.« Formal und soziologisch gesehen stimmt diese Feststellung. Dennoch hat die SPD seit der von ihr erwürgten Novemberrevolution faktisch nichts getan, um wirklich darauf hinzuarbeiten, das kapitalistische System zu überwinden. Dabei wissen wir, dass sie sich als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus sah. Trotz des Sektierertums der KPD (Sozialfaschismus-These) hätte gerade die SPD, weil sie eine recht große Partei war und eine größere Wählerschaft hinter sich hatte (im Vergleich zur KPD), klaren Kopf behalten sollen, also trotz aller Probleme, die sie mit der KPD hatte, mit dieser zusammenzugehen wie beim Kapp-Putsch den Generalstreik auszurufen (obwohl: zum Generalstreik gegen den Kapp-Putsch musste damals die SPD hingetragen werden). Hätte die SPD wie die KPD zum Generalstreik aufgerufen (viele SPDler damals warteten darauf), hätte Hitler verhindert werden können. Die SPD hatte ein verqueres Demokratie-Verständnis, wonach Hitler demokratisch (durch Wahlen) abgelöst werden könnte. Und damals kursierte gerade in der SPD (z. T. auch in der KPD) die Ansicht, man solle Hitler gewähren lassen, denn er würde nach wenigen Monaten abgewirtschaftet haben. Hitler war klug genug, zuerst die KPD zu verbieten (Februar 1933) und dann im Juni 1933 die SPD. So konnte die SPD weiterhin ihrer Illusion frönen, es käme nicht so schlimm und noch verliefe alles irgendwie demokratisch. Natürlich kann mir entgegen: Hätte, hätte, Fahrradkette. Auf jeden Fall zeigte die Geschichte, dass die SPD total versagte, trotz ihres dennoch mutigen Neins zu dem Ermächtigungsgesetz. Was die SPD heute taugt, sieht man an ihrem neuesten Verrat an ihre Mitglieder und Wähler. Von der (nicht-mehr-)Linkspartei ganz zu schweigen, die sich unter Gysi verhält wie Bernstein (Revisionismus) und Kautsky (Opportunismus).
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (24. März 2025 um 15:26 Uhr)
        »Die SPD hatte als einzige Partei gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt.« Wenn man verschweigt, dass 81 Abgeordnete der KPD, also die gesamte Fraktion, vor der Abstimmung verhaftet wurden oder geflüchtet und untergetaucht waren, kann man das so sehen.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael M. aus Berlin (25. März 2025 um 14:40 Uhr)
          So ist es. Allerdings sollte man auch nicht verschweigen, daß von der SPD-Fraktion ebenfalls ca. 1/5 aus o.g. Gründen fehlte.
      • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (24. März 2025 um 15:14 Uhr)
        Eine »Arbeiterpartei« war die SPD spätestens seit dem 4. August 1914 nicht mehr, denn wer seine Zustimmung zu Kriegskrediten erteilt, welche dazu dienen, dass Arbeiter auf Arbeiter schießen, statt in internationaler Solidarität verbunden auf den gemeinsamen Klassenfeind, ist nichts als elender Arbeiterverräter.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael M. aus Berlin (25. März 2025 um 14:52 Uhr)
          Sie war eine kaisertreue Arbeiterpartei. Zitat aus dem Leitartikel des sozialdemokratischen »Hamburger Echo«, 14. 7.1917: »Daß die deutsche Sozialdemokratie unbeschadet ihrer demokratischen Grundsätze nicht darauf verpicht ist, aus Deutschland eine Republik zu machen, am allerwenigsten eine bürgerliche Republik nach französisch-amerikanischem Vorbild, ist oft genug gesagt worden. Bleiben der deutsche Kaiser und seine Nachfolger den Grundsätzen treu, die erneut in der Osterbotschaft und im Juli-Erlaß ausgesprochen sind, so wird in den kommenden Zeiten die Monarchie Deutschlands auf den Schultern der Millionen werktätiger Männer, die nun zu voller staatsbürgerlicher Gleichberechtigung gelangen sollen, mindestens ebenso fest und sicher ruhen wie auf den gekrümmten Rücken jener altpreußischen Granden, deren Königstreue jedesmal zu wackeln beginnt, wenn der König nicht ihren Willen tut.« Man sieht also, die SPD ist eine moderne gewissenhafte kaiserlose Partei. Schade.
          • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (26. März 2025 um 09:15 Uhr)
            Ganz genau! Und Ebert selbst kam sich vor, wie der unmittelbare Erbnachfolger des abgedankten Kaisers. Und wie einst Napoleon hätte auch er sich am liebsten gleich die Krone selbst aufgesetzt.
  • Leserbrief von Jürgen Endreß aus Nürnberg/ Franken (22. März 2025 um 06:57 Uhr)
    Vor über einem Jahr bin ich aus der Partei Die Linke ausgetreten, da mir die Antworten der Parteiobrigkeit auf Fragen zu Frieden, Russenfeindlichkeit, Entmilitarisierung als schwammig, ohne klare Bekenntnisse vorkamen, sich hinter dem Titel »Friedenspartei« nichts anderes wie Heuchelei verbarg. Mit der parlamentarischen Zustimmung im Bundesrat für die Kriegsmilliarden hat sie nun die Maske endgültig fallen lassen. Die sie versucht hinter sozialen Fragen zu tarnen. Wer Frieden will, muss den steinigen Weg der Anfeindungen in der Bundesrepublik gehen und sich nicht durch Anbiederungen an den bürgerlichen Apparat und Wählertäuschung an Kriegsvorbereitungen zu beteiligen. Jürgen Endreß, Nürnberg.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (22. März 2025 um 01:36 Uhr)
    »Die Linke macht also mit, obwohl sie nicht «muss»« . Die PdL musste noch nie mitmachen (mit den Parteien des Großkapitals). Sie wollte mitmachen. Die PdL stimmt de facto den schuldenfinanzierten Rüstungspaketen zu, in einer Situation, in der sich sogar Länder der Stimme enthielten, in der die FDP mitregiert. Man könnte meinen, das sei der Tiefpunkt. Doch schlimmer geht immer. Die Grünen haben in ihrer Entwicklung von einer Friedenspartei zur Kriegspartei den Weg vorgezeichnet, der theoretisch auch der PdL offen steht. Sie steht da relativ am Anfang, wo eine Umkehr noch möglich wäre, aber nicht zu erwarten ist. Das Ende vom Lied ist dann der Krieg.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Kurt W F. (24. März 2025 um 20:59 Uhr)
      »in der die FDP mitregiert« Nicht zu vergessen: in der das BSW mitregiert.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (22. März 2025 um 00:28 Uhr)
    Aus dem Wikipedia-Artikel über die »Burgfriedenspolitik« während des Ersten Weltkriegs: Noch immer ausgehend von der Überzeugung, man führe einen Verteidigungskrieg gegen die Aggression Russlands, hieß es am 31. Juli im Vorwärts: »Wenn die verhängnisvolle Stunde schlägt, werden die vaterlandslosen Gesellen ihre Pflicht erfüllen und sich darin von den Patrioten in keiner Weise übertreffen lassen.« Quelle: Im Vorwärts am 31. Juli 1914; zitiert nach Susanne Miller: Die SPD vor und nach Godesberg. Vielleicht wird man Ähnliches, in zeitgenössischer Sprache, zukünftig auch im »Neuen Deutschland« lesen können?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Lothar S. aus Berlin (21. März 2025 um 22:00 Uhr)
    Das ist denn doch zu resignativ. »Zustrom vieler Neumitglieder aus dem liberal-«progressiven» Milieu«? Viele mögen es sein, aber kaum die Mehrzahl. Hier liegt wohl eine Verwechslung der Wähler mit den neuen Mitgliedern vor. Mindestens ein großer Teil der neuen Mitglieder sind jung, wollen sich engagieren vor allem gegen den Rechtsruck, sind oft noch auf der Suche. Das Verhalten der Linken in Bremen und Mecklenburg/Vorpommern ist ein erster Schock für sie. Wir sollten ihnen helfen, sich auch innerhalb ihrer neuen Partei ihren Idealismus zu bewahren, was meist verlangen wird, gegen die etablierten Strukturen aufzutreten. Dann könnte es ein heilsamer Schock werden.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Kurt W F. (24. März 2025 um 21:05 Uhr)
      »Wir sollten ihnen helfen, sich auch innerhalb ihrer neuen Partei ihren Idealismus zu bewahren, was meist verlangen wird, gegen die etablierten Strukturen aufzutreten.« Dieser Vorschlag ist m. E. nicht gut für diese jungen Leute. Weiter in einer Partei zu verbleiben, die sowohl Bernstein als auch Kautsky folgt, ist »tödlich« für ehrlich gemeintes politisches Engagement. Vielleicht sollten diese jungen Menschen sich eher in der DKP oder dem BSW engagieren. Die (nicht-mehr-)Linkspartei ist aus meiner Sicht politisch hirntot und arbeitet fleißig daran, es bald auch klinisch zu sein.

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