Ungläubiger Finanzmarkt
Von Lucas Zeise
Der Bondmarkt hat die angekündigte Anleiheschwemme in unbegrenzter Höhe (Friedrich Merz) zur Finanzierung neuer Rüstungsvorhaben locker weggesteckt. Die erste Aufregung, welche die Zehnjahresrenditen kurzfristig bis 2,9 Prozent hochgetrieben hatte, legte sich. Jetzt rentieren zehnjährige Bundesanleihen wieder zwischen 2,7 und 2,8 Prozent, also ungefähr auf dem Niveau wie dem, bevor der parlamentarische Coup zur Verdammung der im Grundgesetz 2009 mühsam verankerten Schuldenbremse in die Bedeutungslosigkeit bekanntgemacht wurde.
Missbilligung der unerhörten Schuldenprogramme kann man daraus nicht herauslesen, noch weniger Angst, der deutsche Staat könne vom Schuldner absolut erster Klasse zum Risiko werden. Vielleicht wollen die Akteure am internationalen Bondmarkt, wo mehr Geld hin- und herbewegt wird als am spektakulären Aktienmarkt, noch abwarten, ob die kommende Bundesregierung die neu gewonnenen Finanzierungsspielräume ausnutzt oder aber wie die Vorgängerregierungen die Staatsausgaben klein hält. Wahrscheinlich ist immerhin letzteres.
In den USA hat am vergangenen Mittwoch die Zentralbank (Federal Reserve, kurz Fed) den Leitzins ganz wie erwartet unverändert bei 4,25 bis 4,5 Prozent gelassen. Allerdings hat sie ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 2,1 Prozent (Schätzung im Dezember) auf 1,7 Prozent herabgesetzt und für die Inflation von 2,5 auf 2,7 Prozent leicht angehoben. Fed-Chef Jerome Powell führte als einen Grund für die Verschlechterung beider Prognosen die von Präsident Trump in Aussicht gestellten Importzölle an. Zölle drückten generell das Wirtschaftswachstum und erhöhten die Inflation, meinte er.
Powell spielte aber den Konflikt mit Trump herunter, der auch vor dieser Fed-Tagung die Notenbank aufgefordert hatte, die Zinsen zu senken. Er widersprach nicht der verbreiteten Erwartung, dass in diesem Jahr noch zwei weitere Leitzinssenkungen um jeweils einen Viertelpunkt auf dann zwei bis 2,25 Prozent wahrscheinlich seien. Um das Risiko einer kommenden Rezession abzusenken, beschloss die Notenbank außerdem, ihre Anleihenverkäufe von jetzt noch 25 Milliarden US-Dollar monatlich auf nur noch fünf Milliarden US-Dollar zu verringern.
Neben den spektakulären Zöllen, von denen bislang nur die auf Importe aus China wirksam geworden sind, steht in der Trump-Regierung die Kürzung des Staatsbudgets hoch oben auf der Prioritätenliste. Trump ist damit voll im Einklang mit seiner republikanischen Partei, die dafür Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche sehen will. Elon Musk hat bereits begonnen, in großem Stil Staatsbedienstete zu entlassen. Noch sind die Resultate dieser Aktion in den Statistiken (Arbeitslosenquote und laufender Konsum) nicht zu erkennen. Aber dass diese Aktion eine Rezession wahrscheinlicher macht, ist plausibel.
Die Ereignisse der vergangenen Wochen suggerieren einen Wechsel von restriktiver Sparpolitik hin zu fiskalischer Expansion in Deutschland und in den USA von Joe Bidens üppigen Ausgabenprogrammen zu fiskalischer Restriktion. Die Finanzmärkte scheinen beides noch nicht zu glauben.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen
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