Gerangel um die Milliarden
Von Kristian Stemmler
Am Sonnabend wurde dem Schuldenpaket, mit dem Hunderte Milliarden für Aufrüstung und »Infrastruktur« finanziert werden sollen, die letzte Hürde genommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete wie erwartet das Gesetz für die erforderlichen Grundgesetzänderungen. Diese waren am Dienstag im Bundestag mit den Stimmen von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen worden und hatten am Freitag auch mit Stimmen der Linkspartei den Bundesrat passiert.
Unterdessen geht das Gerangel um die Verteilung der 500 Milliarden aus dem sogenannten Sondervermögen für Infrastruktur weiter. So forderten Gewerkschaften und Verbände feste Finanzzusagen für Kitas, Schulen und Universitäten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezifferte am Sonnabend gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) den Bedarf im Bildungsbereich auf mindestens 130 Milliarden Euro. Den größten Bedarf sieht die Gewerkschaft beim »Startchancenprogramm«, das Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler fördert, sowie beim Ausbau der Digitalisierung der Schulen.
Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, forderte eine Aufstockung des 2018 auf Bundesebene beschlossenen Digitalpaktes, mit dem eine Förderung der Digitalisierung im Umfang von fünf Milliarden bekundet wurde. Nötig sei »eine Verdopplung der Mittel auf zehn Milliarden bis 2030«, so Düll.
Der Deutsche Mieterbund (DMB) verlangte, Geld aus dem Sondervermögen für den sozialen Wohnungsbau zu verwenden. DMB-Präsident Lukas Siebenkotten plädierte am Sonnabend gegenüber der Augsburger Allgemeinen für »eine effektive neue Wohngemeinnützigkeit« mit »Investitionskostenzuschüssen« als Anreiz für Sozialbau. »Bezahlbarer Wohnraum ist essentiell für einen funktionierenden Staat«, gab Siebenkotten zu bedenken. Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW) setzt hingegen auf ein zwei Milliarden Euro hohes Zinsförderprogramm, das im Gegenzug Bauherren zu niedrigeren Mieten verpflichtet. »Allein durch diese Zinssenkung könnten zusätzlich etwa 35.000 bis 40.000 Wohnungen pro Jahr entstehen«, so GdW-Präsident Axel Gedaschko ebenfalls gegenüber der Augsburger Allgemeinen.
Kapitalvertreter haben indessen klargestellt, was sie von der künftigen Bundesregierung erwarten. Die vier großen Wirtschaftsverbände BDI, BDA, DIHK und ZDH verlangten in einem Schreiben vom Wochenende »eine mutige Reformagenda« von den Spitzenvertretern von Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen, sprich: Umverteilung von unten nach oben. Neben »konkurrenzfähigen Energiepreisen« und Bürokratieabbau fordern die Verbandspräsidenten vor allem auch eine spürbare Senkung der Steuerbelastung von Unternehmen. In diesem Punkt gab es nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel in der zuständigen Arbeitsgruppe der Koalitionsverhandlungen bisher keine Einigung.
Eine wirtschaftliche Dynamik müsse »selbsttragend« und dürfe »nicht nur schuldenfinanziert sein«, heißt es in dem Brief der Wirtschaftsverbände weiter. Das Sondierungsergebnis von Union und SPD liefere dafür »noch nicht die ausreichende Grundlage«. Die »dringend notwendigen Strukturreformen in den Sozialversicherungen« würden gar nicht angepackt.
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Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (24. März 2025 um 12:32 Uhr)Die politischen Eliten unsres Landes, ob CDU, SPD oder FDP, haben dem Volk bislang schon 2,5 Billionen Euro, pro Kopf der Bevölkerung 29.000 Euro, Schulden beschert. Trotz der gewaltigen Schuldensumme jede Menge marode Brücken, Straßen, Schienen, Schulen, fehlende Sozialwohnungen, eine wachsende Zahl von Insolvenzen und eine zunehmende Abwanderung der Wirtschaft ins Ausland. Die Bundeswehr ist nur bedingt einsatzfähig. (Zum großen Glück!) Wo sind die Milliarden geblieben. Wohin sind sie versickert? Wer wird zur Rechenschaft gezogen. Das Volk muss dafür geradestehen. Warum nicht die politische Elite des Landes? Jetzt soll es mit einer Billion neuer Schulden besser werden. Allein, mir fehlt der Glaube. Es ist eine Tragik, dass die Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern dieses schändliche Spiel mitmachen.
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