Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 24.03.2025, Seite 5 / Inland
Wirtschaftskrise

Profite in Gefahr

Negative Kontinuität: Deutsche Großunternehmen reagieren auf aktuelle Probleme weiter mit drastischem Jobabbau
Von Klaus Fischer
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Die Gewerkschafter beim Zulieferer ZF haben einen schweren Stand: Der Konzern arbeitet an Massenentlassungen

ZF Friedrichshafen hat 2024 rund eine Milliarde Euro Verlust gemacht. Am Donnerstag reagierte der Automobilzulieferer mit einem verschärften Kürzungsplan auf die anhaltende Krise der deutschen Wirtschaft. Kernpunkt ist eine Reduzierung der Beschäftigten. Allein in Deutschland will ZF bis zu 14.000 gutbezahlte Jobs vernichten.

Das Unternehmen befindet sich mehrheitlich (93,8 Prozent) im Besitz der Zeppelin-Stiftung – einer Vermögensmasse, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges der Bodensee-Stadt Friedrichshafen gehört – und beschäftigte Ende 2024 weltweit 161.631 Menschen. Trotz der Verluste plant die ZF (Zahnradfabrik) eine Dividendenausschüttung von gut 40 Millionen Euro. Das freut sicher den Oberbürgermeister Simon Blümcke (parteilos) ein wenig, der der Zeppelin-Stiftung vorsitzt. ZF ist kein Einzelfall, sondern nur der aktuell letzte BRD-Großkonzern, der aktiv Jobabbau betreibt.

Die Automobilbranche – eine Kernindustrie der deutschen Wirtschaft – steht seit vergangenem Jahr vor allem wegen der Risiken, die durch die Energiekrise und den hemmungslosen Kapazitätsausbau für die Produktion von Elektrofahrzeugen verursacht wurden, im Regen. So hatte der VW-Mutterkonzern bereits im Herbst verkündet, bis 2030 etwa 35.000 Jobs zu beerdigen. Das Besondere daran: Der zunächst als »sozialverträglich« geplante Kahlschlag wurde durch die Aufkündigung der seit 1994 geltenden Beschäftigungssicherung konterkariert. Ab Juli dieses Jahres sind nun sogar betriebsbedingte Kündigungen möglich.

Auch VW-Tochter Audi präsentiert diesen Monat das Ergebnis längeren Nachdenkens. Demnach sollen 7.500 Arbeitsplätze in der Bundesrepublik wegfallen, 6.000 davon in den kommenden zwei Jahren. Gleichzeitig wollen die Ingolstädter acht Milliarden Euro in heimische Standorte investieren. Was das für die derzeit 55.000 deutschen Arbeitsplätze bedeutet, bleibt abzuwarten.

ZF ist indes nur einer von mehreren großen Zulieferern, die auf die Absatzprobleme bei den Autoherstellern reagieren. So hat Branchenchampion Bosch die Warnung aus dem vergangenen Herbst bekräftigt, dass Arbeitsplätze im Unternehmen wegfallen dürften. Im Inland sollen bis zu 7.000 davon wegfallen – ein Großteil davon am Konzernhauptstandort Stuttgart.

Auch die Continental AG – ebenfalls einer der großen Zulieferer der Branche – legte nach: Geplant sei derzeit, bis 2028 mehr als 10.000 Stellen zu kürzen. Im Inland sind davon aktuell knapp 6.000 Jobs im Visier der »Sparer«. Auch Thyssenkrupp Automotive plant einen Schrumpfkurs: Bis zu 1.800 Arbeitsplätze sollen in dieser Sparte wegfallen – vom großen Namensbruder aus der Stahlsparte ganz zu schweigen.

Die Absatz- und Profitkrise der Automobilbranche steht zwar besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Dennoch sind auch nahezu alle Bereiche der Wirtschaft von den aktuellen Problemen betroffen. Thyssenkrupp Steel hat sich anscheinend von der Losung verabschiedet, »grünen Stahl« unter Verwendung von Wasserstoff zu produzieren und damit auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Diese Losung (unter Missachtung physikalischer und technologischer Gesetze) war wohl eher dazu gedacht, Milliardensubventionen vom Staat zu ergattern – die jeder Kapitalist gern mitnimmt. Unabhängig von der Industriekrise steht der Kernbereich des alten Konzerns bereits seit einigen Jahren im Überlebenskampf auf dem Weltmarkt.

Seit Jahresbeginn hatten neben Industrieunternehmen auch Banken und sogenannte große Dienstleister ähnliche Kürzungen angekündigt. Die Post (DHL) will 8.000 Arbeitsplätze loswerden, die Deutsche Bank etwa 2.000. Und die unter Übernahmedruck durch die italienische Unicredit stehende Commerzbank greift noch tiefer ein und will fast 4.000 Stellen streichen. Eine versuchte Flucht nach vorn, um Kosten zu senken und zugleich (Aktien-)Kurspflege zu betreiben.

Die Idee dabei: Je teurer eine feindliche Übernahme wird, um so eher besteht die Chance der Großbank, eigenständig zu bleiben. Auch hier setzt sich der allgemeine Trend fort, die Profitabilität des jeweiligen Unternehmens um nahezu jeden Preis zu erhöhen. Die alte Kapitalweisheit gilt weiter: Fressen oder gefressen werden.

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