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Freie Radikale

Von Pierre Deason-Tomory
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Aufgepasst: Suchen Sie das possierliche Tierchen im Text

Was National Public Radio (NPR) angeht, den nichtkommerziellen Rundfunk in den USA, hat die Kettensäge von Elon Musk stumpfe Zähne. Bei WDCB, dem NPR-Jazzradio in Chicago, lief in der vorigen Woche der halbjährig stattfindende Membership Drive, eine Dauersondersendung zur Akquise von Fördermitgliedern. Beim Aufwaschen hörte ich einen Redakteur sagen, er wolle nicht zu viel über Kürzungen der staatlichen Unterstützung für WDCB reden, diese mache nur zehn Prozent des Budgets aus. Zwei Drittel der benötigten Moneten kämen von den Hörern, meinte er, und in die darauf folgende Sprechpause durfte man sich ein »Fuck you, Elon!« reindenken. Voice of America und ihre Schwesterstationen dagegen konnte Musk mit einem Federstrich platt machen, er hat neulich einfach die Mitarbeiter gefeuert. Verwirrte Beobachter hierzulande sehen durch die Stummschaltung der imperialen Propagandasender die Pressefreiheit gefährdet, was genau so absurd ist wie die Mitteilung der US-Regierung, sie wolle sicherstellen, dass »die Steuerzahler nicht länger für radikale Propaganda« bezahlen. Für Radikales bezahlen? Okay! Das erfreulich radikale Freie Hamburger Radio FSK braucht Bares und lädt für diesen Sonnabend zur Soliparty ins Hausprojekt M1 in der Mokrystraße. Ab 19 Uhr gibt es Bands, DJs und die Gelegenheit, die Revolution zu tanzen, wenn andere den Mussolini trumpeln. Der Eintritt ist frei, Kettensägen müssen an der Garderobe abgegeben werden.

Programmvorschläge: In den »Radiogeschichten« gibt es Südstaatenliteratur aus Trump’s own country, die Kurzgeschichte »Anständige Leute vom Land« von Flannery O’Connor, gelesen von Franziska Hackl (Di., 11.05 Uhr, Ö 1). Und im DLF eine »Querköpfe«-Ausgabe über »40 Jahre Kabarettgeschichte aus dem Mehringhoftheater« (Mi., 21.05 Uhr). »Die Klassikerlesung« bringt Essays von Heinrich Mann, veröffentlicht 1933 im Exil unter dem Titel »Der Haß – Deutsche Zeitgeschichte«, eingesprochen von Hans-Dieter Lange (Rundfunk der DDR 1986, Fr., 14.00 Uhr, MDR Kultur). Die Deutschlandradios haben sich »So long good-bye« ausgeliehen, Realityradio aus den Siebzigerjahren von Harun Farocki über die Produktion einer Discosingle (WDR 1978, Sa., 18.05 Uhr, DLF Kultur, So., 20.05 Uhr, DLF). »Es ist immer ein Test, krieg ich jetzt gleich eins auf die Fresse oder begegnet mir Wohlwollen«, sagt Christian im Hörspiel »Chinchilla Arschloch, waswas« von Helgard Haug und Thilo Guschas; das Stück ist ein Roadmovie mit Vater, Tochter und Tourettesyndrom (WDR 2018, Sa., 19.04 Uhr, WDR 3).

Wie immer zur Buchmesse: Die »Radiokulturnacht aus Leipzig«, kommen werden Luisa Neubauer, Caroline Kraft, Roger de Weck, Christine Koschmieder, Annett Gröschner, Aria Aber, Helene Bracht, Dmitrij Kapitelman und Anika Decker (Sa., 20.03 Uhr, Bayern 2, Bremen Zwei, HR 2 Kultur, MDR Kultur, NDR Kultur, Radio 3, SWR Kultur, WDR 5). Um dieselbe Uhrzeit spricht und liest Feridun Zaimoglu im »Studio LCB«; in seinem neuen Buch »Sohn ohne Vater« fährt Sohn mit Vater in Urne zur Beerdigung in die Türkei (Sa., 20.05 Uhr, DLF). Am Sonntag laufen die Ursendung einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte, »Lélé« von Sathyan Ramesh (HR 2025, So., 14.04 Uhr, HR 2 Kultur), und ein Stück über »Nutztiere«, in den Hauptrollen Hochleistungskuh Renate, Milchziege Beatrix und Forschungssau 6614 (DLF Kultur 2023, So., 18.00 Uhr, NDR Kultur). Ab Montag in zehn Teilen in der »Lesezeit«: Jurek Beckers »Jakob der Lügner« mit Pinkas Braun (SWF 1971, Mo., 9.00 und 19.00 Uhr, MDR Kultur).

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (24. März 2025 um 22:44 Uhr)
    Ich habe das possierliche Tierchen im Text gefunden, mit Nachnamen heißt es Arschloch, sagt jeden falls Christian. Ich begegne ihm mit Wohlwollen, also dem Christian.

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