Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 25.03.2025, Seite 10 / Feuilleton
Pop

Die späte Klammer

Frisch und gehaltvoll: Panda Bears neues Album »Sinister Grift«
Von René Hamann
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Der große Panda mit Wauzi: Noah Lennox

Wer war noch mal Sonic Boom? Richtig, Pete Kember, einer der beiden Urgründer der Spacemen 3, der legendären Noiserock-Psychedelia-Prä-Shoegaze-Band aus dem England der 1980er. Kember, der es danach solo oder unter dem Projektnamen Spectrum weiter versuchte, während der alte Kumpan Jason Pierce mit Spiritualized erst so richtig durchstartete. Kember blieb all die Jahre ein Geheimtip, ein Genie für wenige, der hier oder da auftauchte, so im Vorprogramm des dankbaren Moon Duos oder tatsächlich als Kompagnon von Panda Bear, der mit ihm gleich eine ganze Platte – »Reset« (2022) – machte.

Und wer ist Panda Bear? Richtig, Noah Lennox vom Animal Collective, auch schon gefühlt ewig solo unterwegs, mit unterschiedlichem Erfolg auf unterschiedlichen Experimentierfeldern. Besagte Platte mit Sonic Boom war wohl so etwas wie ein Startsignal, eine ebenso erfrischende Soloplatte hinzulegen, ebendiese hier: »Sinister Grift«. Es gibt darauf schön schwingende Gitarrentracks, sie ist sehr Sixties, immer mit elektronischem Hintergrunddrive, psychedelisch the good way. Halt: Pop. Und natürlich retro. Wer sich mit dem Werk von Spectrum auskennt, weiß um die entsprechenden Einflüsse.

In einer österreichischen Tageszeitung stand zu lesen, dass »Sinister Grift« ein zwiespältiges Werk sei, denn die gute Laune, die guten Vibes, die die Platte in der ersten Hälfte verbreitet, fielen mit dem weiteren Verlauf in eine zunehmende Düsternis, was schade sei. Ansichtssache: Ebenso könnte man sagen, dass spätestens mit dem Hit »Ferry Lady« das Ding mehr an Tiefe gewinnt. Dass der Name Brian Wilson als Referenz auftaucht, ist wiederum nichts Neues, wenn man sich das Werk von Animal Collective so anhört.

Panda Bears Hauptband schlingert ja seit einiger Zeit in Richtung Bedeutungslosigkeit, ist mal mehr, mal weniger gewinnend. Das trifft auch auf eine Menge Platten zu, die die einzelnen Mitglieder in der Zwischenzeit solo veröffentlicht haben. Panda Bears »Person Pitch« von 2007 war ein Meisterwerk des bedröhnten Elektropsychedelicapops, danach ging es qualitativ eher bergab. Und vielleicht ist »Sinister Grift« unter anderen Vorzeichen die späte Klammer im Werk von Lennox, ein neuer Höhepunkt. Ein gutes Zeichen fürs Collective? Kommt da noch etwas, was an die große Zeit der nuller Jahre anschließen kann? Oder ist das am Ende auch egal?

Wie dem auch sei: Auf »Sinister Grift« sind alle versammelt. Avey Tare liefert ein paar Geräusche, The Geologist Sounds, Deakin steuerte viel Produzentenarbeit bei. Außerdem halfen Cindy Lee (von Women), Maria Reis und Nadja Lennox. Eine Trennungsverarbeitungsplatte – die Trennung von seiner portugiesischen Langzeitfreundin ging der Arbeit voraus – als Familienalbum. Wer das langweilig findet, hat kein Herz.

»Sinister Grift« ist schon jetzt eine der Platten des Jahres, immer gut hörbar, uplifting, dann zunehmend angenehm verstörend, frisch und gehaltvoll. Panda Bear ist endlich mal wieder ein Wurf gelungen.

Panda Bear: »Sinister Grift« (Domino/GoodToGo)

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