Journalistengrab Gaza
Von Wiebke Diehl
Jetzt fühlt sich sogar der deutsche Botschafter in Israel bemüßigt, Kritik zu üben: Auf der Plattform X schrieb Steffen Seibert am Dienstag, er sei »besorgt über die jüngste ungerechtfertigte Festnahme« des Journalisten Christian Meier. Der Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und seine Begleiter seien, offenbar bereits am vergangenen Freitag, von extremistischen Siedlern schikaniert worden, während sie sich für eine Recherche im Westjordanland aufhielten. Offenbar nahm die Polizei daraufhin nicht die Siedler, sondern Meier fest und ließ ihn vor seiner Freilassung, die erst Stunden später erfolgte, ein Dokument unterschreiben, in dem er sich verpflichten musste, in den nächsten zwei Wochen nicht mehr ins Westjordanland zu reisen. Am Montag schlugen und verletzten israelische Siedler ebenfalls im Westjordanland den palästinensischen Filmemacher Hamdan Ballal schwer. Soldaten verhafteten ihn daraufhin im Krankenwagen und nahmen ihn mit. Am Dienstag wurde Ballal, der seinen oscarprämierten Dokumentarfilm No Other Land gemeinsam mit zwei israelischen und einem palästinensischen Regisseur gedreht hat, wieder freigelassen.
Dass Israels Armee und Sicherheitsdienste Journalisten gezielt ins Visier nehmen, kostet regelmäßig Leben: Am Montag waren im Gazastreifen bei zwei getrennten Angriffen der Al-Dschasira-Korrespondent Hussam Shabat und der Palestine Today-Journalist Mohammed Mansour getötet worden. Shabat starb bei einem gezielten Angriff auf sein Auto in Beit Lahia, während die Armee Mansours Haus ohne jegliche Vorwarnung beschoss. Auch dessen Frau und Sohn wurden getötet. Nach Angaben des staatlichen Medienbüros in Gaza haben seit Oktober 2023 mindestens 208 Journalisten bei israelischen Angriffen ihr Leben verloren. Im Jahr 2024, dem bislang tödlichsten Jahr für Journalisten, war Israel laut einer Untersuchung des Committee to Protect Journalists (CPJ) für 70 Prozent aller weltweit getöteten Journalisten verantwortlich.
Hussam Shabat entkam bereits im November 2024 nur knapp dem Tod: Damals wurde der zu dem Zeitpunkt 23jährige bei einem israelischen Luftangriff verletzt. Getroffen wurde er, nachdem er zu einem zuvor angegriffenen Haus geeilt war. Einen Monat zuvor hatte das israelische Militär ihm und fünf weiteren Al-Dschasira-Journalisten gedroht und sie der Mitgliedschaft in der Hamas beziehungsweise dem Islamischen Dschihad bezichtigt. Shabat hatte täglich über die israelischen Verbrechen im Gazakrieg berichtet. In seinem letzten Artikel heißt es: »Israels Aggression geht weiter. Ein Massaker nach dem anderen, das nur die Schreie der Mütter und die Träume der Kinder hinterlässt, die zu Asche zerfallen sind. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Alles wird zerstört: das Leben unschuldiger Menschen, ihre Würde und ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft.«
Seit der neuerlichen Intensivierung israelischer Angriffe auf den Gazastreifen vor rund einer Woche sind fast 700 Menschen, die meisten davon Frauen und Kinder, getötet worden. Am Dienstag gaben die Vereinten Nationen bekannt, ihr internationales Personal in der Küstenenklave um etwa ein Drittel zu reduzieren, weil man für deren Sicherheit nicht garantieren könne. Betroffen sind unter anderem das Welternährungsprogramm (WFP), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das UN-Kinderhilfswerk UNICEF. Zuvor war ein Gebäude des Roten Kreuzes in Rafah beschossen worden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (25. März 2025 um 20:51 Uhr)Hier werden von uns die Realitäten zum Thema, die im nicht mehr zum normal relativierenden Macht- und Regierungssinnen erklärbar sind. Bibi lässt 50.000 Menschen und viele mehr hinrichten? Weil er nicht wissen will, wie Frieden geht? Seit 1948? – Klingt ungesund. Mal drüber nachdenken, liebe Leute, wie lange das noch sinnvoll ist. Ich zum Beispiel würde sofort auf Waffenlieferungen an uns verzichten, also an Tel Aviv (Wissen Sie, was der Name bedeutet?), denn das sinnlose Massenmorden hat dann welche Folgen? Frieden?
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