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Aus: Ausgabe vom 26.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Ukraine

Kriegsverlängerer ausgebremst

Ukraine: Britisch-französisch geführte »Koalition der Willigen« muss Pläne zurückschrauben
Von Reinhard Lauterbach
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Ohne Rückhalt der USA muss auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in ihrer Rhetorik gegenüber Russland zurückstecken (Brüssel, 19.3.2025)

Noch Anfang der vergangenen Woche tönte der britische Premierminister Keir Starmer zuversichtlich: 31 Länder hätten sich der »Koalition der Willigen« für eine Friedens- oder Überwachungstruppe in der Ukraine unter britisch-französischer Führung angeschlossen. Schon damals fiel auf, dass unter die 31 Staaten auch Großmächte wie Luxemburg oder das formal neutrale Irland fielen – vier Tage später klang Starmer schon wesentlich bescheidener. Die Financial Times zitierte ihn mit der Aussage, die anvisierte Truppe werde sich »darauf konzentrieren«, einen eventuellen Waffenstillstand aus der Luft und von See aus zu kontrollieren – was zumindest Großbritannien jetzt auch schon tut, in dem offenkundigen Versuch, zur maritimen Schutzmacht der Ukraine bzw. dessen, was von ihr nach einem eventuellen Waffenstillstand noch bleibt, zu werden.

Parallel zu dieser Reduktion verlief der EU-Gipfel vergangene Woche nicht unbedingt im Sinne der Kriegsverlängerungsfraktion. Die Außenbeauftragte Kaja Kallas war mit der Forderung nach einem 40-Milliarden-Euro-Rüstungspaket in die Verhandlungen gegangen – heraus kamen fünf Milliarden, und nicht einmal die wurden vollständig gegengezeichnet. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz etwa verwies auf die drei Milliarden, die die Bundesrepublik bereits aufgrund ihrer eigenen Schuldenbeschleunigung der Ukraine bereitstellen wolle, etliche südeuropäische EU-Staaten machten deutlich, dass sie andere politische Prioritäten sähen, wenn es schon ums Geldausgeben in großem Stil gehe. Und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte, die EU brauche für eine solche Truppe jedenfalls ein Mandat, möglichst der UNO. Dass ein solcher Auftrag nicht zu haben sein wird, weil Russland im Sicherheitsrat ein Wörtchen mitzureden hat, sagte er nicht dazu, es bleibt aber eine Tatsache.

Doch dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Wie der Brüsseler Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen am Sonnabend berichtete, denkt die EU über Möglichkeiten nach, sich das Mandat einfach selbst zu erteilen. Freilich: eine Vollmacht wofür eigentlich? Aus dem FAZ-Bericht geht hervor, dass den Soldatensammlern aus Brüssel, Paris und London inzwischen keine Stationierung der »Friedenstruppe« direkt entlang der 2.000 Kilometer langen Front mehr vorschwebt – dafür würden die maximal 30.000 Soldaten, die als möglicher Umfang der EU-Truppe im Gespräch sind, auch kaum ausreichen. Statt dessen sollten ausgewählte Einheiten in der Nähe neuralgischer Ziele stationiert werden, etwa des Hafens von Odessa oder der verbliebenen Atomkraftwerke. Ganz vorn solle die ukrainische Armee das Risiko neuer Kämpfe tragen, die Stationierung eigener Truppen im Nachbarland schloss selbst der polnische Regierungschef Donald Tusk erneut aus. Polens Beitrag werde darin bestehen, die Logistik für die EU-Truppe bereitzustellen – grob gesagt also dasselbe, was jetzt auch schon geschieht.

Aus dem FAZ-Bericht vom Sonnabend geht hervor, dass ein »vierstufiges Stationierungsmodell« in Vorbereitung sei, wobei der Großteil der EU-Truppen entlang der sogenannten NATO-Ostflanke stationiert werden solle, ähnlich wie die Bundeswehr-Brigade in Litauen. Die Verweigerung von US-amerikanischer Luftunterstützung oder auch nur des Beistands durch Artikel 5 des NATO-Vertrages durch Donald Trump hat offenbar auch bei den größten Hitzköpfen in Westeuropa etwas »beruhigend« gewirkt. Um so emotionaler die ideologische Begleitmusik: Der französische Politikberater Dominique Moïsi sagte dem polnischen Magazin Newsweek Polska vom Montag, die EU müsse in der Ukraine »ihre eigene Identität und ihre Werte verteidigen«, sie müsse »maximal abschrecken, ohne aber Russlands rote Linien zu verletzen«. Das ist doch schon einmal ein Anfang, dem Gegner diese immerhin zuzugestehen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (25. März 2025 um 22:59 Uhr)
    Stammt das Bild von Maria, äh, Kaja auch von Bob Ross? Wann verklagt sie ihn, es umzumalen? Thema: Schwarznasenschaf am Botnischen Meerbusen oder so.

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