Gold zu Geld machen
Von Gerrit Hoekman
Die europäischen Mitglieder der NATO suchen händeringend nach Geld. Nach viel Geld. Nach Milliarden, wenn nicht sogar Billionen. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Belgien, dem wegen seines hohen Haushaltsdefizits sowieso schon die EU-Kommission im Nacken sitzt, hat Probleme, die immensen Summen zu beschaffen. Die Regierung von Bart De Wever soll sogar überlegen, an die Goldreserven zu gehen. Der Zeitpunkt wäre günstig: Gold ist so viel wert wie lange nicht mehr. Aber die Nationalbank von Belgien (NBB) macht dem Kabinettschef zunächst einmal einen Strich durch die Rechnung.
In einer Presseerklärung wies die Nationalbank vergangene Woche ausdrücklich darauf hin, dass nur sie befugt sei, »Entscheidungen über die Verwaltung der Währungsreserven zu treffen«. Sie tue dies »in voller Autonomie und unter Wahrung der europarechtlichen Grundsätze der Unabhängigkeit der Zentralbank«. Die NBB müsse dabei auch die Europäische Zentralbank »in bezug auf die Verwaltung der Währungsreserve innerhalb des Euro-Systems berücksichtigen«. Das soll die Währungsstabilität des Euro erhalten. Die Regierung kann die NBB jedenfalls nicht zum Verkauf von Gold zwingen.
Der Erlös könne ohnehin nicht zur Finanzierung höherer Rüstungsausgaben verwendet werden, betonte die Nationalbank. Das Geld müsste auf ein Rücklagenkonto überwiesen werden, und nur die Zinsen würden in die Staatskasse fließen. So verlangt es die EZB. Außerdem beanspruchen die privaten Aktionäre der NBB, die 50 Prozent der Aktien besitzen, die Hälfte der Verkaufssumme. Sie behaupten nämlich, die NBB sei die Eigentümerin der Goldreserve, nicht der Staat.
Im Moment werden die belgischen Goldreserven auf fast 20,5 Milliarden Euro geschätzt. Laut dem flämischen Wirtschaftsblatt De Tijd sind das 18.192 Goldbarren mit einem Gesamtgewicht von 227,4 Tonnen. In der internationalen Rangliste der Staaten mit den größten Goldreserven liegt Belgien laut dem flämischen Wirtschaftsblatt De Tijd damit auf Platz 23. Es führen die USA mit 8.133 Tonnen, gefolgt von Deutschland mit 3.352 Tonnen und Italien mit 2.452 Tonnen. Die belgische Reserve ist gering – pro Kopf nur die Hälfte der niederländischen Rücklage.
Der größte Teil des belgischen Goldes liegt in der Bank von England. Die Bank von Kanada und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in der Schweiz wachen über einen kleineren Teil. Ein bisschen bewahrt auch die Nationalbank auf. Gegenwärtig holen immer mehr Staaten ihr Gold aus dem Ausland zurück. Bis zur Einführung des Euros lagerte beispielsweise fast die gesamte deutsche Goldreserve im Ausland. Mittlerweile befindet sich die Hälfte wieder in Frankfurt am Main. Die belgische Nationalbank will ihre Reserve zumindest für den Moment noch da belassen, wo sie ist, auch wenn die Aufbewahrung im Ausland natürlich Geld kostet. Belgien hat aber bereits in Zellik bei Brüssel einen neuen Hochsicherheitstresor gebaut, in dem das Gold untergebracht werden könnte.
Die belgische Reserve war nicht immer tabu. Zwischen 1989 und 1998 verkaufte Belgien 1.006 Tonnen, um seine hohe Staatsverschuldung abzubauen. Sonst wäre der Beitritt zur Euro-Zone unmöglich gewesen. 2005 gingen unter der Regierung von Ministerpräsident Guy Verhofstadt noch einmal 30 Tonnen weg, ein Haushaltsloch sollte gestopft werden. Belgische Finanzexperten bezweifeln jedoch, dass sich so etwas jetzt wiederholen könnte. »Mit einem solchen Verkauf würde unser Land in der Tat das Gegenteil von dem tun, was der Rest der Welt tut«, stellte Philippe Gijsels, ein Experte für den Goldmarkt und Chefstratege der Bank BNP Paribas Fortis, in De Tijd fest.
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