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Aus: Ausgabe vom 26.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Britannien vor neuen Kürzungen

Ministerin geht ans Eingemachte

Briten werden immer ärmer. Medien befürchten neue Kürzungsorgie bei Sozialausgaben
Von Dieter Reinisch
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Von der Erklärung der britischen Schatzkanzlerin Rachel Reeves wird nichts Gutes erwartet

Es ist die erste wichtige Finanzrede der britischen Labour-Regierung in diesem Jahr: die britische Finanzministerin Rachel Reeves wird an diesem Mittwoch ihre »Frühlingserklärung« abgeben.Diese wird die budgetäre Ausrichtung der Regierung für den Rest der Legislaturperiode darlegen. Die Frühjahrserklärung soll das Parlament über die Wirtschaftsdaten, den Staatshaushalt und die Fortschritte bei der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele der Regierung informieren. Begleitet wird sie von der Veröffentlichung einer Wirtschafts- und Haushaltsprognose des Finanzministeriums.

Soweit das formale Prozedere. Die Wirtschaftsdaten jedenfalls schauen nicht gut aus, die britische Staatskasse ist leer. Und Premierminister Keir Starmer wie auch seine Finanzministerin haben versprochen, keine neuen Steuern einzuführen. Ökonomen gehen allerdings davon aus, dass Labour diese im Budget für das kommende Jahr einführen und im Herbst die Öffentlichkeit darüber informieren wird. Der Fokus der aktuellen Frühlingsrede dürfte auf drastischen Mittelkürzungen liegen. Der Guardian spricht sogar von »den größten Sparmaßnahmen seit der Austerität«. Die bereits angekündigte Kürzung der Sozialausgaben um fünf Milliarden Pfund Sterling (sechs Milliarden Euro) ist die größte Kürzung im Sozialbereich seit einem Jahrzehnt. Dies dürfte den Hauptteil der Streichungen darstellen, vermutet die BBC. »Hunderttausende werden gesundheitsbezogene Leistungen im Wert von Tausenden Pfund verlieren«, meldete die BBC zudem am Montag abend. Die Verwaltungskosten des öffentlichen Dienstes, einschließlich der Personalkosten, werden bis 2029/30 um 2,2 Milliarden Pfund Sterling (2,63 Milliarden Euro) gekürzt – 15 Prozent. Ebenso sollen im öffentlichen Dienst 10.000 Stellen abgebaut werden.

Vorbote der Kürzungsorgie: Am Sonnabend veröffentlichte die Joseph Rowntree Foundation (JRF) ihren Wirtschaftsbericht. Laut ihren Berechnungen werden die Briten in den kommenden Jahren deutlich ärmer. Demnach werden sich die Familien bis April noch nicht von der doppelten Belastung durch Pandemie und Lebenskostenkrise erholt haben. Die neuesten offiziellen Prognosen deuten darauf hin, dass sogar noch Schlimmeres bevorsteht. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen nach Abzug der Wohnkosten im April 2025 wird dem Bericht zufolge rund 400 Pfund Sterling (480 Euro) pro Jahr unter dem Niveau von 2020 liegen. Bis April 2030 würden die Haushalte durchschnittlich um weitere 1.400 Pfund Sterling (1.675 Euro) schlechter gestellt sein als heute.

Vor allem Personen mit niedrigem Einkommen verlieren doppelt so rasch wie jene mit mittleren und höheren Einkommen ihren Lebensstandard verlieren: Während Haushalte mit mittleren Einkommen 2030 im Schnitt drei Prozent weniger Geld als heute zur Verfügung haben werden, sind es bei den niedrigsten Einkommen sogar sechs Prozent. Weitere Kürzungen seien nicht der richtige Weg, um den Trend sinkender Lebensstandards umzukehren, sagte JRF-Direktor Alfie Stirling mit Veröffentlichung des Berichts. Statt dessen, solle Reeves lieber über Steuererhöhungen für die Reichsten nachdenken.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (26. März 2025 um 18:02 Uhr)
    In London kann man sehen, was uns in Berlin bald drohen wird: Wer weiter Krieg in der Ukraine will, der muss die Sozialkassen plündern. Im britischen Unterhaus ist dazu Klartext zu erwarten. Zumindest was das Streichkonzert im Sozialbereich angeht. Auf Deutschlands Straßen sollten wir dem rechtzeitig vorbauen. Denn wer die Sozialkassen schützen will, muss zu allererst dafür sorgen, dass kein Geld mehr für Krieg, Rüstung und Militär zum Fenster hinausgeworfen wird.

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