Spitzel für Langley
Von Henning von Stoltzenberg
Der für antikommunistische Staatsstreiche und extralegale Hinrichtungen bekannte US-Auslandsgeheimdienst CIA hatte in den 1960er Jahren einen Informanten in der Neonazipartei NPD. Das geht aus den Akten um die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy hervor, die US-Präsident Donald Trump vergangene Woche ungeschwärzt öffentlich zugänglich gemacht hat. Bild hat die Akten, die 80.000 Seiten und 1.000 Dokumente umfassen sollen, nach eigenen Angaben mit Hilfe moderner Software ausgewertet. Laut dem Bericht vom Sonnabend sollte die Quelle in der NPD für das Hauptquartier in Langley im US-Bundesstaat Virginia spionieren. Der Auftrag des braunen Funktionärs bestand absurderweise darin, herauszufinden, ob die NPD aus der DDR und aus der Sowjetunion mitfinanziert werde.
Allgemein dokumentieren die nun ungeschwärzt veröffentlichten Unterlagen, wie umfangreich die US-Regierung das politische Leben in der BRD kurz nach dem Attentat auf Kennedy 1963 überwachen ließ. Sie zeigen auch, dass der deutsche Inlandsgeheimdienst bereits Ende der sechziger Jahre tief in die NPD-Gliederungen vorgedrungen war und dadurch einen guten Überblick über die Aktivitäten der Neonaziszene gehabt haben muss. Später sollten diese Infiltrationen ein Argument liefern, um das NPD-Verbotsverfahren platzen zu lassen, da V-Leute Einfluss auf die Führungsriege der Neonazipartei hatten. Laut den Dokumenten seien die deutschen Agenten bemüht gewesen, »die NPD auf allen Ebenen zu durchdringen, ihre Mitglieder und Finanzen zu überwachen und ihren Einfluss zu bekämpfen«, so die offizielle Version der NPD-Überwachung.
Einer der CIA-Berichte aus dem Jahre 1969 befasst sich mit den Geldströmen innerhalb der Partei. »Die NPD ist, wie Sie wissen, nicht nur als politische Kraft von Interesse«, heißt es dort. Daher »wäre ein Beweis für eine ostdeutsche Finanzierung der NPD von großem Interesse und Nutzen«. Grund für diese Untersuchung soll der vom damaligen Außenminister Willy Brandt (SPD) geäußerte Verdacht gewesen sein, dass die DDR mit sowjetischer Zustimmung den damaligen NPD-Chef Adolf von Thadden finanziell unterstützt hätte. Tatsächlich war von Thadden aber wohl ein Mann des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, wie deutsche und britische Medien 2002 berichteten. Das wird in dem Bild-Bericht allerdings verschwiegen. Die Motivation von Brandt für die »Moskau-These« dürfte damals wohl eher der Versuch gewesen sein, das antifaschistische Profil der DDR gegenüber den faschistischen Kontinuitäten in der BRD zu beschädigen. Viele Funktionäre der SED hatten aktiven Widerstand gegen die Nazis geleistet und dafür ihr Leben riskiert.
Lobend erwähnte die CIA die »Qualität der Informationen«, welche ihr Informant über die NPD liefere, auch wenn es jeweils mehrere Wochen dauere. Später erhöhte sich das Tempo, mit dem Geheimdienstinformationen über die Partei in den USA landeten – unter anderem über NPD-Einfluss in der Bundeswehr. So habe sich damals das Bundesamt für Verfassungsschutz »an die Sicherheitsorgane der Bundeswehr gewandt, um ein Programm gegen den Einfluss der NPD in der Bundeswehr durchzuführen«. Darüber hinaus habe der deutsche Geheimdienst mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) daran gearbeitet, »Methoden zur Einschleusung von Arbeitnehmern in NPD-Organisationen« zu entwickeln, »um deren Einfluss in Betrieben und Betriebsräten zu melden und entgegenzuwirken«. Laut den Dokumenten hatte die Behörde damals rund 60 Quellen mit Zugang zu den NPD-Organisationen auf allen Ebenen – bis in die Bundesgeschäftsstelle in Hannover. So sei es damals gelungen, die gesamten Mitgliederlisten mit damals rund 20.000 Namen »zu erhalten und zu fotografieren«.
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