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Aus: Ausgabe vom 27.03.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Zollkrieg

Schweiz unter den »dreckigen 15«

Alpenrepublik fürchtet Strafzölle der USA. Wirtschaftspolitiker geben sich unterwürfig, Unternehmen selbstbewusst
Von Kim Nowak
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Elend und Schmutz, soweit das Auge reicht

Donald Trumps Vorliebe für Zölle und Protektionismus betrifft auch die Schweiz. Der US-Präsident wirft der Alpenrepublik »unfaire Handelsmethoden« vor und könnte sie mit Strafzöllen belegen, wenn er Anfang April, wie angekündigt, zum »Befreiungstag« mit Handelsgebühren um sich wirft. Die Schweiz sieht sich durch die Ankündigungen des Weißen Hauses erhöhtem Druck ausgesetzt.

Denn auch der Kahlschlag im öffentlichen Dienst der USA sorgt für Verunsicherung bei börsendotierten Schweizer Unternehmen. So fiel der Aktienkurs des weltweit größten Hörgeräteherstellers Sonova vergangene Woche zwischenzeitlich um neun Prozent. Es bestehe eine große Unsicherheit, »ob die für den Einkauf dieser Geräte zuständige Behörde ihre Programme stoppen muss«, erklärte ein Manager der Privatbank Pictet Lorenz Reinhard gegenüber der FAZ am vergangenen Freitag. Laborausrüster Tecan, der 60 Prozent seines Umsatzes in den Vereinigten Staaten erzielt, hatte da sogar schon 17 Prozent an Börsenwert eingebüßt.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin von der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) verwies am Sonnabend auf die Schaffung von mehr als 400.000 Arbeitsplätzen bei Schweizer Firmen in den USA. Bern versucht Washington nun entgegenzukommen: »Wir haben den USA auch über die Schweizer Botschaft signalisiert, dass wir bereit sind zu diskutieren«, so Parmelin. Die Schweiz werde bereits in einer Länderliste der »dreckigen 15« von US-Finanzminister Scott Bessent geführt, berichtete die Luzerner Zeitung am Dienstag.

Schon am 11. März hatte das Staatssekretariat schriftlich gegen Zollanhebungen interveniert. In einem Brief an Catherine Gibson, Stellvertretende Handelsbeauftragte der USA, zeigt sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) allerdings unterwürfig: Die Schweiz sei »ein echter Freund der Vereinigten Staaten« und vertrete »zum Beispiel im Iran und anderen Orten« seit vielen Jahrzehnten deren Interessen. Man wolle die Wirtschaftsbeziehungen in den kommenden Jahren noch weiter vertiefen.

»Wir spüren, dass wir vor der Entscheidung von Präsident Trump wahrscheinlich keine Ausnahmen erreichen können«, erklärte der SVPler Parmelin. Keine Abstriche könne man bei der geforderten Abschaffung der Mehrwertsteuer machen, die Washington als »Handelsbarriere« betrachtet. Auch geplante Gegenzöllen der EU sieht der Wirtschaftsminister mit Sorge: Da die Alpenrepublik kein Mitglied der Staatengemeinschaft ist, würden diese auch sie betreffen. Dass die Schweiz ausgenommen werden könne, habe Brüssel bislang nicht signalisiert, erklärte er im SRF. Dabei habe die Schweiz bereits ein bilaterales Handelsabkommen mit der EU verabschiedet. »Wenn wir von Gegenmaßnahmen betroffen wären, dann wäre das ein falsches Signal für das Abkommen«, so Parmelin.

Doch es gibt auch Gewinner. So konnte etwa Lebensmittelmonopolist Nestlé seinen Aktienwert seit Beginn der Präsidentschaft Trumps von 74 Franken auf 89 Franken pro Anteilsschein erhöhen. Sowohl die Unternehmer als auch das SECO widersprechen Trumps Vorwürfen nach unfairen Praktiken. Der Dachverband der Schweizer Privatwirtschaft Economie Suisse (ES) betonte kürzlich, der Gewinner der Handelsbeziehungen zwischen den USA und der Schweiz sei Washington. Jan Atteslander, Mitglied der ES-Geschäftsleitung, listete unter anderem die Abschaffung der Industriezölle und Direktinvestitionen in den USA auf. Die Alpenrepublik liegt demnach auf dem sechsten Platz der weltweiten Kapitaleinfuhren. ES-Chefökonom Rudolf Minsch pflichtete in der Luzerner bei, die Schweiz exportiere vor allem »hochwertige Spezialanwendungen und Medikamente, die nicht so leicht ersetzt werden können«. Der Absatz in den USA werde vorerst nicht einbrechen.

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