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Aus: Ausgabe vom 28.03.2025, Seite 15 / Feminismus
Frauenfilmfestival

Poetisch und unverstellt

Kapitalismus, Klimakrise und Emanzipation: Das Internationale Frauenfilmfest lädt nach Dortmund
Von Gitta Düperthal
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Kinder, Küche und die Kunst: Mit 17 Jahren hat Dhunu bereits alle Hände voll zu tun

Das 42. Internationale Frauenfilmfestival (IFFF) hält erneut, was es verspricht: Ab dem 1. April werden Filmemacherinnen aus Sudan, Kamerun, Afghanistan, Indien, der Türkei oder Slowenien ihre Filme in Dortmund präsentieren und mit dem Publikum diskutieren. Zu sehen wird es »kraftvolle, ambivalente Frauenfiguren« in rund 100 Filmen geben, »die einladen, ›out of the box‹ zu denken«, wie es im Programmheft heißt.

Eine kraftvolle Figur ist auch die Hauptdarstellerin in dem indischen Film »Village Rockstars 2« von Rima Das. Das Filmdrama kommt zugleich poetisch und mit unverstelltem Blick auf die Klimakrise daher. Die 17jährige Dhunu wächst im indischen Bundesstaat Assam in einem Dorf auf: Sie erklimmt Wipfel von Bäumen, spielt mit Leidenschaft Gitarre, schmust mit Ziegen, betreut Kinder – und trägt Verantwortung für ihre kranke Mutter. Auf keinen Fall soll sie in deren Fußstapfen treten, harte Feldarbeit erledigen oder einen betrunkenen Sohn heimschleppen müssen. Letzterer drängt die Mutter, Land zu verkaufen, um Geld zur Verwirklichung seiner egomanischen Träume zu erhalten. Dhunu soll Karriere als Musikerin machen. Dann aber kommt die gefürchtete Flut, lässt das sowieso harte Landleben bedrohlich werden: Wasser steht bis zu den Knien, Ernte vernichtet, Insektenplage! Armut, Patriarchat und Klimawandel werden nicht romantisiert. Trotz aller Widrigkeiten trägt der Film durch die Schönheit der Landschaft, die Ruhe dörflichen Lebens, Freundschaft und den Zusammenhalt der Frauen untereinander. Die mutige Filmstory über emanzipierte Frauen unter Extrembedingungen wurde bei der Berlinale 2025 in der Kategorie »Generation 14plus« nominiert.

Der spanische Film »Salve María« beginnt mit Kindergeschrei. Die Hauptfigur von Mar Colls Film begegnet der Misere in den folgenden Szenen lakonisch: Nicht jeder Frau sind automatisch »Muttergefühle« in die Wiege gelegt. Schon gar nicht María, die Laura Weissmahr überzeugend verkörpert. Sie schätzt ihre Arbeit als Schriftstellerin einfach mehr als beispielsweise das Schaukeln und Trösten ihres Babys im Mutter-Kind-Kurs. So entflieht sie dem mütterlichen Alltag und betreibt Recherchen über Mütter, die ihre Kinder umgebracht haben. Der Film beschreibt komödiantisch die Antimutter, spitzt mal gekonnt zu, changiert zur Schmonzette, dann zum Psychothriller. Mutterschaft kann für berufliches Weiterkommen eine Sackgasse darstellen, erklärte Stefanie Görtz, Pressefrau des IFFF, am Mittwoch gegenüber jW diese Schwerpunktsetzung in der Sektion Internationaler Spielfilm. Thematisiert werde auch, wie wenig hilfreich Männer mitunter in der Beziehung sind.

Als weiteren Schwerpunkt des Filmfests kündigte Görtz den filmischen Blick auf kapitalistische und neokolonialistische Entwicklungen an. Wie brutal ein solches Treiben sein kann und welch perfide Rolle auch Frauen dabei einnehmen, zeigt Sudabeh Mortezais Film »Europa«. In der österreichischen Filmproduktion läuft Lilith Stangenberg in der Rolle einer ehrgeizigen Managerin des internationalen Konzerns »Europa« schauspielerisch zur Höchstform auf. Etwa wenn Beate Winter trickreich ihren Rassismus verbergend auf vermeintlich weiblich-weiche Tour Landnahme einleitet. Die »Heuschrecke« plant, Bauern in Albanien zu vertreiben. Im Konzernsprech: »Mit Investitionen unterentwickelte Regionen fördern.« Man ahnt es: Es geht um üble Ausbeutungsverhältnisse und Profitmacherei. Beates Aufgabe ist es, den letzten dort ansässigen Menschen ihr angestammtes Land abzuschwatzen. Insbesondere ein Bauer wehrt sich erbittert. Mortezais Regie manifestiert satirisch, sarkastisch die Mittel des globalen Kapitals: von Zuckerbrot bis Peitsche.

Festivalleiterin Maxa Zoller verweist in der Einleitung des Programmhefts auf den Fokus »Sehen lernen und verlernen – Film dekolonisieren«. Es gehe ums Erkennen »diskriminierender Sehgewohnheiten«. Das Festival biete Gelegenheit zum Austausch und Netzwerken. Zu drohender Kulturzerstörung fordert Zoller kämpferisch: »Werdet laut! Hände weg von der freien Szene, Hände weg von der Filmkultur!«

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