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Aus: Ausgabe vom 02.04.2025, Seite 1 / Ausland
Frankreich

Le Pen inszeniert sich als Opfer

Frankreichs Ultrarechte sieht politisches Urteil gegen bisherige Spitzenkandidatin und ruft zu Protest auf
Von Ina Sembdner
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Ihre Ikone wird 2027 wohl nicht antreten dürfen: RN-Parteigänger am Dienstag in Hénin-Beaumont

Am kommenden Wochenende könnten die Straßen Frankreichs voll werden: Nach dem Urteil gegen die Ikone der extremen Rechten, Marine Le Pen, rief deren Nachfolger an der Spitze des Rassemblement National (RN) zu landesweiten Protesten auf. »Ich glaube, die Franzosen müssen heute empört sein, und ich sage ihnen: Seid empört!« erklärte Jordan Bardella im Radio Europe 1 und im Fernsehsender CNews. Und laut einer Erhebung des Instituts Elabe halten immerhin 42 Prozent den Richterspruch für politisch voreingenommen. Präsident Emmanuel Macron und seine Minderheitsregierung aus der Mitte-rechts-Koalition haben sich noch nicht offiziell geäußert.

Le Pen war am Montag der Veruntreuung von EU-Mitteln für schuldig gesprochen worden. Die fehlende Reue der Angeklagten sei einer der Gründe gewesen, warum ihr mit sofortiger Wirkung die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt wurde, hieß es von Richterseite. Le Pen wurde zudem zu vier Jahren Haft verurteilt, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt wurden und zwei unter Hausarrest verbüßt werden sollen. Die Strafen gelten jedoch erst, wenn die Berufungsverfahren ausgeschöpft sind.

Der 29jährige Bardella könnte bei der Wahl 2027 der De-facto-Kandidat des RN werden. Denn Le Pen gab sich schon am Montag abend recht geschlagen: »Um es klar zu sagen: Ich bin ausgeschlossen, aber in Wirklichkeit sind es Millionen von Franzosen, deren Stimmen ausgeschlossen wurden«, sagte sie dem Sender TF1. Sollte es ihr gelingen, das Urteil noch rechtzeitig zu kippen, werde sie für das Präsidentenamt kandidieren. Sie habe aber kein Vertrauen, dass sie noch vor der Wahl dazu angehört werde. Le Pen führte zuletzt in Umfragen.

Die 56jährige sagte zudem, das Gericht habe eine politische Entscheidung gefällt. Sie solle ganz bewusst von der Wahl 2027 ferngehalten werden. In Frankreich wird seit 2016 jedoch automatisch auch eine Strafe der Nichtwählbarkeit verhängt, sobald ein Amtsträger wegen Korruption verurteilt wird. Die Zahl der Urteile, die ein Kandidaturverbot umfassen, stieg von etwa 1.500 im Jahr 2019 innerhalb von vier Jahren auf mehr als das Zehnfache an.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Olaf M. aus München (3. April 2025 um 12:19 Uhr)
    Ein Detail bedarf der Korrektur. Der Satz »Die Strafen gelten jedoch erst, wenn die Berufungsverfahren ausgeschöpft sind« trifft nicht zu auf den Entzug der Wählbarkeit für politische Ämter. Diese Strafe gilt sofort und wird nicht durch ein Berufungsverfahren ausgesetzt. Wie einem Beitrag von Norbert Häring vom 1.4.2025 zu entnehmen ist, wurde diese Ausnahme von rechtsstaatlichen Grundsätzen durch einen Urteilsspruch des französischen Verfassungsrats vom 28.3.2025 etabliert. Pikanterweise trat erst am 8. März ein enger Vertrauter Macrons und ehemaliger Generalsekretär von Macrons Partei LREM, Richard Ferrand, das Amt des Präsindenten das Verfassungsrats an. In Frankreich herrschen offensichtlich inzwischen genauso bananenrepublikanische Verhältnisse wie in der BRD.

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