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Aus: Ausgabe vom 08.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg USA – Rest der Welt

Bazooka mit Rückstoß

Donald Trumps Zolloffensive provoziert Reaktionen. US-Wirtschaft mit mehreren Schwachstellen
Von Klaus Fischer
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Der internationale Handelsclinch hat Folgen: Produzierte Vehikel bleiben auf Halde (Essex, England, 7.4.2025)

US-Präsident Donald Trump hat vergangene Woche eine erste Salve seiner Zolloffensive lanciert. Diese belegt Importe mit einem Basiszollsatz von zehn Prozent. Weitere Staaten müssen sich auf höhere Abgaben einstellen. Die EU kommt mit einem Einfuhrzoll von 20 Prozent noch glimpflich davon. Andere sind stärker betroffen. Vor allem die Industriemacht China und die globale Nummer drei Indien (gemessen an der Wirtschaftsleistung nach Kaufkraftparität) werden mit höheren Sätzen zur Kasse gebeten.

Trumps Intention ist so simpel wie verständlich. Er will die aus US-Sicht ungerechte Behandlung der eigenen Wirtschaft korrigieren und damit mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. So träumt er davon, ausgelagerte Arbeitsplätze ins Land zurückzuholen. Er zwingt ausländische Exporteure, in den USA zu produzieren sowie damit Jobs und Steuereinnahmen zu generieren. Und nicht zuletzt versucht er so, eine weitgehende Autarkie bei wichtigen Waren zu etablieren.

Allerdings ist das eine Sichtweise mit nur einem Auge. Das andere drückt Trump einfach zu. Weder bezieht er die global agierenden US-Techkonzerne noch die durch den US-Dollar veranlasste Dauerkreditierung der USA in seine Zollrechnung ein. Zweifelhaft ist auch, ob das heimische Bildungs- und Ausbildungssystem in der Lage ist, die notwendigen Fachkräfte zu stellen. Vermutlich will er entstehende Fabrikjobs mit Greencard-Inhabern aus Ost- und Südostasien besetzen.

Trumps Zollbazooka ist – im Gegensatz zur militärischen Variante – eine Waffe mit Rückstoß. Umgehend reagierte Chinas Regierung und kündigte Zölle auf in die Volksrepublik eingeführte US-Waren in gleicher Höhe von 34 Prozent an. Indiens Machthaber planen nach Angaben von Reuters aktuell keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den 26prozentigen Zoll – wohl um die neutrale Position zwischen dem US-Block und den um China und Russland gruppierten Staaten des globalen Südens zu festigen. Und von beiden Seiten zu profitieren. Der Subkontinent ist nach China der größte Abnehmer russischen Erdöls seit Beginn des Ukraine-Krieges.

Die USA sind wirtschaftlich vor allem deshalb enorm stark, weil sie sich auf drei Hauptkomponenten stützen können: erstens ihre durch die Weltleitwährung US-Dollar verursachte Kontrolle über weite Teile des globalen Finanzsystems – ohne das es einen kostengünstigen und reibungslosen Waren- und Geldaustausch der weltweit eng verknüpften Lieferketten nicht gibt (was Russland seit 2022 empfindlich zu spüren bekommt).

Zweitens durch die Tatsache, dass der 340-Millionen-Einwohner-Staat der mit Abstand größte Waren- und Dienstleistungskonsument der Welt ist – freilich ohne die daraus resultierenden Verbindlichkeiten (sichtbar etwa in der defizitären Handelsbilanz) jemals vollständig zu begleichen. Die daraus erwachsene Staatsverschuldung – sie beläuft sich offiziellen Angaben zufolge allein für den Bund auf 36,5 Billionen (36.500 Milliarden) US-Dollar – droht regelmäßig, das Land amtlich stillzulegen.

Drittens repräsentieren die USA die stärkste weltweit handlungsfähige Militärmacht. Die daraus resultierenden Kosten von weit mehr als einer Billion US-Dollar tragen maßgeblich zur Schuldenlast bei. Wirtschaftlich betrachtet sind Militärausgaben eine Investition in Sicherheit und garantieren (in gewissem Maße) die Profite von Konzernen, Banken, Anlegern und einen kontinuierlichen Steuerzufluss. Andererseits sind sie weder nachhaltig noch gesellschaftlich profitabel (außer für die Produzenten und deren Eigner).

Und die EU? Manche Ökonomen befürchten eine »Überschwemmung« mit chinesischen Waren – denn die dortigen Produzenten können nicht einfach ihre Werke stillegen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Wochenende bereits für Gegenmaßnahmen getrommelt – was eine neue Handelskriegsfront zwischen EU und China eröffnen würde. Vielleicht sollten Macrons Assistenten ihm den Besuch eines heimischen Elektronikmarktes empfehlen. Wenn er dort französische oder EU-Produkte finden kann, könnten sie ihm pro gefundenem Artikel ein Glas Champagner versprechen. Am Ende dürfte er kaum betrunken sein.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. April 2025 um 09:48 Uhr)
    Trumps Zollbumerang: Längst sind es nicht mehr nur Nationalstaaten, sondern vor allem transnationale Großkonzerne, die das weltwirtschaftliche Geschehen bestimmen. Ausgerechnet durch seinen Zollkrieg jedoch schwächen sich die USA selbst – so paradox das klingen mag. Um die Jahrtausendwende entfielen noch rund 20 Prozent der globalen Importe auf die Vereinigten Staaten, heute sind es nur noch etwa 12,5 Prozent. Inzwischen finden rund 80 Prozent des weltweiten Handels außerhalb der USA statt. Doch was, wenn Trumps Zollkeule ihr Ziel verfehlt – und als Bumerang zurückkehrt? In den ersten beiden Jahren seiner zweiten Amtszeit dürfte es Trump kaum gelingen, durch seine protektionistische Politik tiefgreifende Strukturreformen in der heimischen Industrie durchzusetzen. Und schon bald steht ihm mit den Zwischenwahlen zum Kongress der nächste politische Prüfstein bevor. Es droht ein altbekanntes Szenario: Trump könnte erneut zur »lame duck« werden – politisch gelähmt, zunehmend isoliert und längst von den tatsächlichen Machtzentren umgangen.
    • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (8. April 2025 um 13:05 Uhr)
      Unverständlich finde ich es, dass in den Medien, auch in junge Welt, im Zusammenhang mit den Zollerhöhungen nie das Wort »Überproduktionskrise« fällt. Diese zyklisch wiederkehrenden Absatzkrisen im Kapitalismus wurden in den vergangenen Jahrzehnten künstlich, aber nur eben zeitweise gemildert. Irgendwann kommt die Rechnung. Und das ist jetzt. »Exportweltmeister« wie zunächst Deutschland und anschließend China luden ihre Produktionsüberschüsse zu großen Teilen in den USA ab, die ihrerseits viel weniger reale Güter erzeugen, die statt dessen ihr BIP aufhübschen durch Dienstleistungen mit überhöhten Gebühren wie beispielsweise bei Anwälten oder Ärzten. Jetzt ist das Gebrüll groß. Doch es geht auch für die USA so nicht weiter. Dieses konsumfreudige Land zahlte mit staatlichen und individuellen Schulden in einer Weltleitwährung, die sie quasi aus dem Nichts erzeugen konnten. Die übrige Welt, welche Waren in die USA lieferte, legte wie beispielsweise China den Ertrag in US-Staatsanleihen an. Doch was sind die tatsächlich wert, wenn dieses Schneeballsystem irgendwann einmal an ein Ende kommt? Wer will diese Währungen oder Anleihen noch, wenn der Ertrag für gelieferte Ware wie im Fall Russland in jedem Augenblick gestohlen werden kann? Keiner kann sich mehr auf das bisherige, auf Globalisierung basierende System wirklich verlassen, offensichtlich auch nicht die Vasallen der USA. Die können sich jetzt nicht weiter so verschulden wie bisher, nur um die Überschüsse der anderen zu konsumieren. Das Perpetuum mobile hat bisher noch keiner erfunden. Interessant wird sein, was das Land des »Wirtschaftswunders« nun tut, wenn die USA ihre schuldenfianzierten Käufe reduzieren, der Markt in Russland sich durch eigene Hasspropaganda erledigt hat, und man Hürden gegen die Warenflut aus China errichten wird. Als Lösung bieten sich zwei »bewährte« Kunjunkturprogramme an: Kriegsvorbereitung und Wiederaufbau. Arbeitslose in die Wehrpflicht, den Arbeitsdienst!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (8. April 2025 um 08:43 Uhr)
    Verwunderlich an der momentanen Diskussion ist, dass sie ja von ihrem Grundsatz grüner Ideologie, regionale Anbieter zu bevorzugen, entspricht. Was auch dort zu dem Schwachsinn führt, Tomaten in Tiefgaragen anzubauen. Aber Gott weißnur,r weil zwei das gleiche tun ist es noch lange nicht das Selbe.

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