Bazooka mit Rückstoß
Von Klaus Fischer
US-Präsident Donald Trump hat vergangene Woche eine erste Salve seiner Zolloffensive lanciert. Diese belegt Importe mit einem Basiszollsatz von zehn Prozent. Weitere Staaten müssen sich auf höhere Abgaben einstellen. Die EU kommt mit einem Einfuhrzoll von 20 Prozent noch glimpflich davon. Andere sind stärker betroffen. Vor allem die Industriemacht China und die globale Nummer drei Indien (gemessen an der Wirtschaftsleistung nach Kaufkraftparität) werden mit höheren Sätzen zur Kasse gebeten.
Trumps Intention ist so simpel wie verständlich. Er will die aus US-Sicht ungerechte Behandlung der eigenen Wirtschaft korrigieren und damit mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. So träumt er davon, ausgelagerte Arbeitsplätze ins Land zurückzuholen. Er zwingt ausländische Exporteure, in den USA zu produzieren sowie damit Jobs und Steuereinnahmen zu generieren. Und nicht zuletzt versucht er so, eine weitgehende Autarkie bei wichtigen Waren zu etablieren.
Allerdings ist das eine Sichtweise mit nur einem Auge. Das andere drückt Trump einfach zu. Weder bezieht er die global agierenden US-Techkonzerne noch die durch den US-Dollar veranlasste Dauerkreditierung der USA in seine Zollrechnung ein. Zweifelhaft ist auch, ob das heimische Bildungs- und Ausbildungssystem in der Lage ist, die notwendigen Fachkräfte zu stellen. Vermutlich will er entstehende Fabrikjobs mit Greencard-Inhabern aus Ost- und Südostasien besetzen.
Trumps Zollbazooka ist – im Gegensatz zur militärischen Variante – eine Waffe mit Rückstoß. Umgehend reagierte Chinas Regierung und kündigte Zölle auf in die Volksrepublik eingeführte US-Waren in gleicher Höhe von 34 Prozent an. Indiens Machthaber planen nach Angaben von Reuters aktuell keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den 26prozentigen Zoll – wohl um die neutrale Position zwischen dem US-Block und den um China und Russland gruppierten Staaten des globalen Südens zu festigen. Und von beiden Seiten zu profitieren. Der Subkontinent ist nach China der größte Abnehmer russischen Erdöls seit Beginn des Ukraine-Krieges.
Die USA sind wirtschaftlich vor allem deshalb enorm stark, weil sie sich auf drei Hauptkomponenten stützen können: erstens ihre durch die Weltleitwährung US-Dollar verursachte Kontrolle über weite Teile des globalen Finanzsystems – ohne das es einen kostengünstigen und reibungslosen Waren- und Geldaustausch der weltweit eng verknüpften Lieferketten nicht gibt (was Russland seit 2022 empfindlich zu spüren bekommt).
Zweitens durch die Tatsache, dass der 340-Millionen-Einwohner-Staat der mit Abstand größte Waren- und Dienstleistungskonsument der Welt ist – freilich ohne die daraus resultierenden Verbindlichkeiten (sichtbar etwa in der defizitären Handelsbilanz) jemals vollständig zu begleichen. Die daraus erwachsene Staatsverschuldung – sie beläuft sich offiziellen Angaben zufolge allein für den Bund auf 36,5 Billionen (36.500 Milliarden) US-Dollar – droht regelmäßig, das Land amtlich stillzulegen.
Drittens repräsentieren die USA die stärkste weltweit handlungsfähige Militärmacht. Die daraus resultierenden Kosten von weit mehr als einer Billion US-Dollar tragen maßgeblich zur Schuldenlast bei. Wirtschaftlich betrachtet sind Militärausgaben eine Investition in Sicherheit und garantieren (in gewissem Maße) die Profite von Konzernen, Banken, Anlegern und einen kontinuierlichen Steuerzufluss. Andererseits sind sie weder nachhaltig noch gesellschaftlich profitabel (außer für die Produzenten und deren Eigner).
Und die EU? Manche Ökonomen befürchten eine »Überschwemmung« mit chinesischen Waren – denn die dortigen Produzenten können nicht einfach ihre Werke stillegen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Wochenende bereits für Gegenmaßnahmen getrommelt – was eine neue Handelskriegsfront zwischen EU und China eröffnen würde. Vielleicht sollten Macrons Assistenten ihm den Besuch eines heimischen Elektronikmarktes empfehlen. Wenn er dort französische oder EU-Produkte finden kann, könnten sie ihm pro gefundenem Artikel ein Glas Champagner versprechen. Am Ende dürfte er kaum betrunken sein.
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