»Gegen Aufrüstung etwas unternehmen«
Interview: Marc Bebenroth
Ihre Jugendorganisation lädt für Ende Mai junge Menschen zur Teilnahme an einer Konferenz in Berlin ein. Das Motto: »Zeit für Sozialismus«. Sind Sie angesichts der politischen Weichenstellungen für Krieg und Sozialraub zu früh oder eher zu spät dran?
Die multiplen Krisen des Kapitalismus, die wir aktuell durchleben, lassen nur eine Schlussfolgerung zu: Es ist Zeit für Sozialismus frei nach Rosa Luxemburgs Ausruf »Sozialismus oder Barbarei«. Es gibt eine Polarisierung gerade unter jungen Leuten und eine Hinwendung zu sozialistischen Ideen. Wir sahen das auch bei der Bundestagswahl. Wir wollen diesen jungen Menschen ein Angebot machen und über sozialistische Antworten auf die Krisen diskutieren.
Gemeinsam wollen wir die Grundlagen dafür schaffen, gegen die bevorstehende Merz-Regierung und die Aufrüstung etwas zu unternehmen. Wir organisieren das ehrenamtlich und mit Jugendlichen, Azubis und Schülern mit wenig Geld. Wir sammeln deswegen auch Spenden, um auch jungen Menschen mit wenig Geld die Teilnahme zu ermöglichen.
Vom 23. bis 25. Mai soll über sozialistische Alternativen diskutiert werden. Wieviel Klärungsbedarf herrscht dazu noch?
Immer mehr Jugendliche haben sich der Idee entzogen, wonach der Kapitalismus das Ende der Geschichte sein soll, und sich wieder marxistischen Ideen zugewandt. Es gibt breiten Diskussionsbedarf, was wir auch in der Entwicklung der Linkspartei sehen.
Wie steht es um das Klassenbewusstsein?
Das ist in der Jugend bei weitem nicht so ausgeprägt, wie es sein müsste, wenn wir eine sozialistische Zukunft tatsächlich erreichen wollen. Die Streiks gerade im öffentlichen Dienst, bei der Post und jetzt auch in Berlin im Gesundheitswesen haben vielen jungen Leuten gezeigt, welches Potential für Veränderungen da ist. Mit Auszubildenden, die bei uns organisiert sind, werden wir einen Workshop vorbereiten zur Rolle von kämpferischen Gewerkschaften. Über die Kürzungen und Angriffe, die uns im Bildungssystem erwarten, wollen wir mit Schülerinnen und Schülern diskutieren.
Was sagen Sie Jugendlichen, die angesichts ungewisser Berufsperspektiven den Verlockungen einer »Karriere« beim Militär erliegen?
Ich sage ihnen, dass ich das aus einer materiellen Sicht nachvollziehen kann. Aber jeder sollte sich gut überlegen, ob er sein Leben für die Konzerninteressen deutscher Unternehmen lassen oder sich am Kampf für bessere Ausbildungsbedingungen, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen beteiligen will.
Die »Jugend für Sozialismus« hat sich 2023 als Alternative zur Linksjugend Solid gegründet. Wie groß war die Freude über den Stimmen- und Mitgliederzuwachs für Die Linke bei der Bundestagswahl?
Alle Sozialisten können sich freuen, dass die Linke dieses Wahlergebnis eingefahren hat. Es zeigt, dass es nicht nur den Rechtsruck gibt. Wir haben damals die Linksjugend verlassen, weil es unmöglich geworden war, für marxistische Positionen zu kämpfen. Mittlerweile ist dort eine Wende erkennbar. Wir hoffen, dass die Linksjugend, aber auch Die Linke die Lehren aus der Vergangenheit ziehen und nicht die gleichen Fehler noch mal begehen.
Worauf gründen Sie diese Hoffnung?
Die Linke und die Linksjugend haben so zahlreiche Neumitglieder wie noch nie. Darunter sind viele, die ein ehrliches Interesse daran haben, die Gesellschaft grundlegend zu verändern – aber ohne klare Vorstellung vom Weg dorthin. Wir wollen mit diesen Menschen diskutieren, wie so eine Veränderung erreicht werden kann und was dafür notwendig ist.
Wichtig ist, einen konsequenten Klassenstandpunkt einzunehmen. In allen Fragen darf man sich keine Illusion machen, mit bürgerlichen Parteien oder im Rahmen des Kapitalismus grundlegend etwas verändern zu können. Man kann Reformen durchsetzen, die die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse verbessern können, aber es geht vor allem um konsequente Kämpfe gegen den Kapitalismus als Ganzes.
Caspar Loettgers ist Mitglied des Vorstands der »Jugend für Sozialismus« und aktiv in der »Solidarität« (SOL)
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Leserbrief von Franz (9. April 2025 um 10:08 Uhr)Wie kann man nur so naiv sein. Die sogenannte Linke hat den Kriegskrediten zugestimmt. Ist das nun Demenz, so schnell?
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Leserbrief von Werner aus Berlin Kreuzberg (9. April 2025 um 11:49 Uhr)»Die« Linke hat keinen »Kriegskrediten« zugestimmt. Vielmehr sind diejenigen, die entgegen Parteibeschlüssen, im Bundesrat für dieses unsägliche Aufrüstungspaket gestimmt haben, in der Partei isoliert, was sich auch auf dem kommenden Parteitag zeigen wird. Im Übrigen ist der Vergleich mit dem 4. August 1914, der durch die Bezeichnung »Kriegskredite« angestellt wird, schlicht ahistorisch. Und nicht nur, weil sich das Deutsche Reich bereits im Krieg befand. (Schon Anfang Juli sagten Kaiser und Reichskanzler Österreich-Ungarn die bedingungslose Unterstützung zu »Julikreise« - 1. und 3. August deutsche Kriegserklärungen an Russland und Frankreich).
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (10. April 2025 um 11:15 Uhr)Die Kriegskredite zur fortlaufenden Finanzierung des Ersten Weltkrieges beschränkten sich nicht auf den ersten vom 4. August 1914, sondern erfolgten im Halbjahres-Turnus sukzessive in Form weiterer Kriegsanleihen bis zuletzt im Herbst 1918. »Gold gab ich für Eisen.« Und als »Rendite« gab es nur Tod, Leid, Elend, Not, Verzweiflung, Trümmer, Schutt und Schrott – und die Lasten des Versailler Vertrages.
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Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (10. April 2025 um 11:14 Uhr)Werner aus Berlin-Kreuzberg schrieb: »Im Übrigen ist der Vergleich mit dem 4. August 1914, der durch die Bezeichnung ›Kriegskredite‹ angestellt wird, schlicht ahistorisch. Und nicht nur, weil sich das Deutsche Reich bereits im Krieg befand. (Schon Anfang Juli sagten Kaiser und Reichskanzler Österreich-Ungarn die bedingungslose Unterstützung zu ›Julikreise‹ – 1. und 3. August deutsche Kriegserklärungen an Russland und Frankreich).« Lieber Werner, seit 1945 hat es meines Wissens überhaupt keine Kriegserklärungen mehr gegeben, wie sie früher üblich waren. Nach Ihrer Logik gab es ja dann seitdem keinen Krieg- und deshalb auch keine Kriegskredite. Man staunt, woher dann die Millionen Toten allein durch Militäraktionen der USA kamen. Es kommt nicht darauf an, wie man es nennt, wo so viele Bezeichnungen frei nach Orwell das genaue Gegenteil dessen aussagen, was in Wahrheit stattfindet. Die Formen und die Begründungen haben sich seit 2014 etwas geändert, nicht jedoch der Opportunismus sozialdemokratischer Parteien, wozu ich die PdL zähle. Die NATO befindet sich dennoch faktisch in einem gemeinsamen Krieg mit der Ukraine gegen Russland. Die einen steuern arbeitsteilig Geld, Waffen, Zieldaten, Ausbilder und Propaganda bei, die anderen ihr Blut. Ja, die Ukrainer drücken auch den Knopf nach den Zieldaten, die ihnen aus den USA gegeben wurden. Deshalb bleibt es trotzdem ein Krieg des Westens gegen Russland, auch wenn er durch den nicht erklärt wurde. Die bedingungslose Unterstützung für die Ukraine hat Bundeskanzler Scholz mehrmals bekräftigt und mehrere dieser Reden mit dem faschistischen Badera-Gruß beendet.
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