Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 10.04.2025, Seite 1 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg

Zoll auf Zoll

Sonderabgaben in Höhe von 84 Prozent. China gibt im von Trump entfachten Handelskrieg nicht nach
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Container auf Container

Die Volksrepublik China bleibt unnachgiebig. Nachdem die US-Regierung die Zölle auf chinesische Waren auf nun insgesamt 104 Prozent erhöht hatte, kündigte die Regierung in Beijing am Mittwoch an, nun ihrerseits die Sonderabgaben um weitere 50 Prozentpunkte auf damit 84 Prozent für US-amerikanische Produkte hinaufzuschrauben. Sie sollen am Donnerstag in Kraft treten, teilte die chinesische Führung mit. Anders als nach entsprechenden Verlautbarungen von US-Präsident Donald Trump erwartet, zeigt die Volksrepublik wenig Interesse an Verhandlungen: »Falls die USA die Probleme wirklich durch Dialog und Verhandlungen lösen wollen, sollten sie eine Haltung der Gleichheit, des Respekts und des gegenseitigen Nutzens einnehmen«, sagte Außenministeriumssprecher Lin Jian.

Trump reagierte zunächst nicht auf die chinesischen Gegenmaßnahmen. Er forderte Unternehmen dazu auf, zur Umgehung von Zöllen Standorte in die USA zu verlagern. »Dies ist ein großartiger Zeitpunkt, um eure Firma in die USA zu verlegen«, erklärte der Staatschef am Mittwoch auf seiner Onlineplattform Truth Social. »Bleibt cool! Alles wird sich zum Guten wenden. Die USA werden größer und besser sein als je zuvor!«

Um Mitternacht Washingtoner Zeit waren Trumps neue Sonderzölle gegen viele Länder in Kraft getreten, die mit den USA Handel treiben. Für die Staaten der EU gelten dabei 20 Prozent. Erste Brüsseler Gegenzölle in Höhe von zehn bis 25 Prozent sollen in der kommenden Woche in Kraft treten, unter anderem für Jeans und Motorräder aus den USA, teilte die Europäische Kommission mit. Weitere Gegenzölle sollen dann Mitte Mai und Ende des Jahres folgen – das betrifft unter anderem Lebensmittel wie Rindfleisch, Geflügel oder Zitrusfrüchte. Die ersten Zölle treffen nach EU-Angaben ein Handelsvolumen von 3,9 Milliarden Euro, die der zweiten Runde eines im Wert von 13,5 Milliarden. Diese Sonderzölle allerdings sind nicht die Reaktion auf die am Mittwoch morgen in Kraft getretenen sogenannten wechselseitigen Zölle, sondern auf bereits vor rund einem Monat verhängte neue US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. jW-Bericht

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (10. April 2025 um 10:05 Uhr)
    Peking hat unmissverständlich erklärt, im Zweifelsfall »bis zum Ende kämpfen« zu wollen. Wer wie Donald Trump glaubt, einen Sieg im Zollstreit erzwingen zu können, offenbart ein fundamentales Unverständnis für die chinesische Geschichte und Kultur. Die Erinnerung an die Kolonialzeit – jene Phase, in der westliche Mächte China gezielt durch die Opiumkriege schwächten und unterwarfen – ist tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Bis heute gilt diese Epoche als »die 100 Jahre der Demütigung«. Das Land hat sich seither geschworen, nie wieder von fremden Mächten gedemütigt zu werden. Dieser Schwur prägt bis heute das politische Selbstverständnis der Volksrepublik. Wenn Trump China mit weiteren Strafzöllen in die Knie zwingen will, fordert er nichts Geringeres als einen symbolischen Gesichtsverlust – eine Zumutung, der sich Beijing mit aller Entschlossenheit widersetzen wird. China ist durchaus bereit, wirtschaftliche Verluste hinzunehmen, wenn es darum geht, nationale Würde zu wahren. Doch jeder Versuch, das Regime in eine Ecke zu treiben, birgt das Risiko einer gefährlichen Gegenreaktion: Je stärker China sich bedroht fühlt, desto größer wird die Versuchung, sich in einem nationalistischen Akt der Selbstbehauptung zu behaupten – etwa durch eine Eskalation im Taiwan-Konflikt. Trumps Politik droht damit, eine Situation zu schaffen, in der China glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben – ein Szenario von höchster Brisanz. Dieser Handelskrieg ist daher keineswegs ein bloßer Streit um wirtschaftliche Interessen. Er markiert den Beginn einer geopolitischen Konfrontation, in der es um weit mehr geht: um Macht, Prestige und die Durchsetzung globaler Ordnungsvorstellungen. Wer in diesem Konflikt nur ökonomische Zahlen sieht, verkennt die historische Tiefe und das eskalierende Potenzial eines globalen Kulturkampfes.

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