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Aus: Ausgabe vom 10.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Griechenland

Landesweiter Arbeitsausstand

Generalstreik für Lohnerhöhung und Tarifverträge: Zehntausende Griechen von Gewerkschaften mobilisiert
Von Hansgeorg Hermann
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Keine Mehrwertproduktion in den Betrieben: Massenauflauf am Mittwoch auf den Straßen Athens

Abermals Generalstreik in Griechenland: Zehntausende Beschäftigte legten am Mittwoch die Arbeit nieder. In allen größeren Städten des Landes gingen sie auf die Straßen und forderten höhere Löhne, anständige Tarifverträge, die Wiedereinführung eines 13. und 14. Monatsgehalts im öffentlichen Dienst sowie staatliche Maßnahmen gegen explodierende Nahrungsmittelpreise und tägliche Lebensunterhaltskosten.

Als eines der von Armut am schlimmsten betroffenen EU-Länder müssen die Menschen in Athen, Thessaloniki, Heraklion oder Patras noch immer mit Mindeststundenlöhnen von knapp fünf Euro auskommen und gleichzeitig enorme Kostensprünge verkraften. Die Endpreise in Supermärkten oder an Tankstellen entsprechen denen in Deutschland oder Frankreich, wo die Löhne dreimal so hoch sind.

»Die Nase gestrichen voll« von der aktuellen Regierungspolitik des rechten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis hätten die Lohnabhängigen längst, erklärte am Rande einer Kundgebung in der kretischen Provinzhauptstadt Chania der Eisenbieger und Gewerkschafter Dimitris B. im jW-Gespräch. Statt sich um die täglichen finanziellen Sorgen der Mehrheit der elf Millionen Griechen zu kümmern und für »wertvolle Arbeitsplätze« zu sorgen, habe der Premier vor allem Großprojekte wie Flughäfen, Autobahnen und Energiebeschaffung im Auge, die dem stark expandierenden Massentourismus geschuldet seien. Im Dienstleistungsgewerbe würden allerdings die niedrigsten Stundenlöhne gezahlt. »Ausbeutung« sei dafür der korrekte Begriff. Bei durchschnittlichen Monatslöhnen von rund 800 Euro stelle sich für Hunderttausende Familien die Frage, wie sie Mieten von mindestens 400 Euro für eine Zweizimmerwohnung zahlen, die Energiekosten begleichen und ihre Kinder ernähren sollten.

Bei den am Donnerstag fortgesetzten Straßenprotesten geht es auch um Tausende Opfer der sogenannten Finanzkrise, die seit 2010 das Land im Griff hält und auf ihrem Höhepunkt im Jahr 2011 Renten und Gehälter nahezu halbiert hatte. »Säumige Kunden«, die in den Jahren vorher den Bau ihrer Eigenheime mit Bankdarlehen finanzierten, sahen sich – mangels Einkommen – nicht mehr in der Lage, ihre Kredite zu bedienen. Während von Bankrott bedrohte Geldhäuser aus den Brüsseler »Hilfsfonds« refinanziert wurden, hatten die Besitzer von Kleinstimmobilien keine Unterstützung zu erwarten. Die Banken verkauften vielmehr die »faulen Kredite« für einen Bruchteil der tatsächlichen Schuldensumme an Hedgefonds und andere » Vermögensverwalter«, die anschließend die Eigenheime – mit beträchtlichem Gewinn – im Internet versteigerten. Immer noch warten Hunderte Betroffene auf Gerichtsentscheide, die über Recht oder Unrecht des »raubtierkapitalistischen Angriffs« auf griechische Familien zu befinden haben.

Die Streikenden folgten am Mittwoch einem Aufruf sämtlicher griechischer Einzelgewerkschaften. Betroffen waren in der auf 24 Stunden angesetzten Arbeitsniederlegung vor allem das Transportgewerbe. Seit Mittwoch Null Uhr wurde der Fährverkehr zwischen den Inseln und dem Festland eingestellt. Es folgten die Beschäftigten in den zahlreichen Häfen des Landes sowie das Personal an den Flughäfen. Der Luftverkehr war nach Angeben verschiedener TV- und Printmedien zeitweise völlig eingestellt, Ausnahmen gab es nur für medizinische Notfälle und Militärmaschinen.

Den Protest der Beschäftigten begleiteten in Athen und Thessaloniki auch Familien, Freunde und Angehörige der Opfer des schweren Zugunglücks von Tempi (Bezirk Larissa), bei dem am 28. Februar 2023 mindestens 57 meist junge Menschen ums Leben gekommen waren. Bis heute haben weder Premier Mitsotakis noch die eingesetzte Untersuchungskommission eine Erklärung dafür, warum dem Zusammenstoß zwischen einem IC-Express und einem Güterzug unmittelbar danach eine heftige Explosion folgte. Beauftragte Experten der Universitäten in Pisa/Italien und Gent/Belgien, die die Vorgänge untersuchen sollten, wurden einem Bericht der Zeitung Proto Thema zufolge offenbar von der Regierung unter Druck gesetzt, »günstige Ergebnisse« zu liefern.

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