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Aus: Ausgabe vom 10.04.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Proteste in Türkei

Gewerkschafter unter Arrest

Türkische Regierung will Opposition einschüchtern. Bundesvorstand der Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen verhaftet. Doch der bleibt kämpferisch
Von Mahir Sahin
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Teil der Proteste, Teil der Opposition: Mitglieder der Bildungsgewerkschaft in İzmir

Die Proteste in der Türkei gegen das Ein-Mann-Regime nehmen nicht ab, umgekehrt nehmen die Repressionen eine immer heftigere Dimension an. Am 25. März hatte die Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen das akademische Personal zur Arbeitsniederlegung aufgerufen – aus Solidarität mit den Studierenden und deren Uniboykott. Dieser hatte begonnen, nachdem der Universitätsabschluss des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem İmamoğlu annulliert und er als Oberbürgermeister abgesetzt und inhaftiert worden war. Daraufhin wurden alle sieben Bundesvorstandsmitglieder der Gewerkschaft verhaftet und unter Hausarrest gestellt, elektronische Fußfesseln inklusive.

Die Eğitim-Sen ist die größte Gewerkschaft im öffentlichen Bildungsbereich in der Türkei und die Schwestergewerkschaft der Gewerkschaft für Erziehung und Bildung (GEW) in Deutschland. Sie setzt sich für ein gerechtes, wissenschaftliches und demokratisches Bildungssystem sowie für die Rechte von Lehrerinnen und Lehrern ein. Eğitim-Sen versteht ihre Arbeit nicht nur als gewerkschaftliches Engagement, sondern als Teil eines umfassenderen Kampfes für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Frieden.

»Das gewerkschaftliche Recht, zum Streik aufzurufen, das uns von der Verfassung garantiert wird, wurde von den Staatsanwaltschaften in Ankara und Istanbul schnell in seine Kriminalisierung verkehrt«, erklärte İzzet İldeş, einer der unter Hausarrest gestellten Bundesvorstandsmitglieder der Eğitim-Sen, im Gespräch mit jW. Noch am selben Tag sei eine Untersuchung eingeleitet worden. Das Gericht habe alle sieben Vorstandsmitglieder der Eğitim-Sen ohne jegliche rechtliche Grundlage zu 15 Tagen Hausarrest unter gerichtlicher Aufsicht verurteilt. Das sei weder juristisch noch logisch zu erklären, sondern eine »politische Bestrafungsmethode, die derzeit von der türkischen Regierung direkt über die Justiz angewandt wird.« Indem die Regierung eine Aktion der Gewerkschaft, die im Rahmen der Verfassung durchgeführt wird, ins Visier nimmt, versuche sie, die Opposition einzuschüchtern und zu unterdrücken, so İldeş. »Wir, die wir der Forderung der Studierenden nach einer Zukunft eine Stimme geben, sollen offensichtlich zum Schweigen gebracht werden.« Die Botschaft sei: Man geht gegen die organisierte Opposition vor. »Indem sie uns zum Schweigen bringen, wollen sie die ganze Gesellschaft zum Schweigen bringen«, so der Gewerkschaftsfunktionär.

Auch der Vorsitzende der Textilgewerkschaft Birtek-Sen, Mehmet Türkmen, steht weiterhin unter Hausarrest. Er war zuvor wegen Textilarbeiterstreiks inhaftiert. Nach zahlreichen Solidaritätsaktionen und -bekundungen – national wie international – wurden alle Anklagepunkte gegen ihn fallengelassen.

Bei den Protesten wird nun der Ruf nach einem bundesweiten Widerstand und Generalstreik immer lauter. Aus Sicht des Gewerkschafters İzzet İldeş sind diese Aufrufe legitim und angebracht: »Nicht nur Studierende, sondern auch Beschäftigte im Bildungswesen, im Gesundheitswesen, Arbeiter, Frauen und Jugendliche sind heute gezwungen, unter Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu leben. Daher ist Widerstand auf allen Ebenen sowohl legitim als auch unvermeidlich. Als Eğitim-Sen treten wir immer für einen friedlichen und demokratischen Kampf ein.« Laut dem Gewerkschafter steht die Türkei vor einer schweren Prüfung in Bezug auf Demokratie, Meinungsfreiheit und Menschenrechte. Aber er und die anderen Gewerkschafter seien angesichts der andauernden Proteste voller Hoffnung.

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