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Aus: Ausgabe vom 11.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Kahlschlag Tata Nederlands

Massenentlassungen bei Tata

Niederlande: Stahlkonzern streicht 1.600 Vollzeitstellen, ein Fünftel der Belegschaft muss gehen. Kürzungskurs geht an’s Eingemachte
Von Gerrit Hoekman
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Tata will »grünen Stahl« produzieren (Präsentation in IJmuiden im Januar 2024)

Der Stahlkonzern Tata Steel Nederland hat am Mittwoch in einer Pressemitteilung angekündigt, an seinem Standort im niederländischen IJmuiden 1.600 Vollzeitstellen abzubauen – das betrifft ein Fünftel der Belegschaft. Der Kahlschlag wird hauptsächlich Jobs im Management und der Verwaltung treffen. Erst in der vergangenen Woche hatte die Gewerkschaft FNV einem Krisentarifvertrag zugestimmt, mit dem die Belegschaft für ein Jahr auf eine Lohnerhöhung verzichtet. Bis Oktober 2026 sollten keine erzwungenen Entlassungen erfolgen. Das Versprechen ist jetzt wohl gebrochen.

Bei Tata Steel Nederland, einer Tochter des indischen Konzerns, ist schon länger der Wurm drin. Der vergangene Geschäftsbericht wies einen Verlust von über 550 Millionen Euro aus. Die Konzernführung schob das schlechte Ergebnis auf die billige Konkurrenz aus China, hohe Energiekosten und strenge Umweltauflagen, die enorme Investitionen verlangten. Kohle soll zunächst durch Erdgas ersetzt werden, später durch Wasserstoff. Nun kommen noch die US-Zölle von 25 Prozent auf Stahlimporte aus Europa hinzu. Ungefähr zwölf Prozent der Tata-Steel-Produkte gehen in die Vereinigten Staaten.

»Mit der heutigen Ankündigung machen wir einen notwendigen Schritt hin zu einem nachhaltigen und zukunftssicheren Stahlunternehmen«, wird Hans van den Berg, der CEO von Tata Steel Nederland, zitiert. Natürlich fällt auch wieder die hässliche Worthülse »Reorganisation« – ein Euphemismus für stahlharten Stellenabbau. Im Moment verhandelt der Konzern mit der Regierung über finanzielle Unterstützung für den ökologischen Umbau. Stichwort: »grüner Stahl«. Viele glauben, dass die Androhung von Kündigungen die Politik unter Druck setzen soll, um Geld lockerzumachen.

Die Belegschaft bemerkte im Berufsalltag bereits, dass bei einem der größten Betriebe in den Niederlanden irgend etwas nicht stimmte. Wer Überstunden schob, musste plötzlich das Essen in der Kantine bezahlen, das sonst immer gratis war. Wer in Rente ging, bekam zum Abschied auf einmal nur noch einen Strauß Blumen. Selbst am Filterkaffee werde in den Büros gespart, berichtete der Regionalsender NH Nieuws schon im Dezember. Von der Sparwut bei Tata Steel sind auch Dutzende regionale Betriebe betroffen, die indirekt mit dem Unternehmen zu tun haben. Sogar das stets mit Großmeistern hochkarätig besetzte Schachturnier, das Tata Steel traditionell im Januar in Wijk aan Zee austrägt, muss mit einem abgespeckten Rahmenprogramm auskommen.

Tata Steel dürfe die aktuell schlechte Lage der Branche nicht nach dem Motto »Verschwende niemals eine gute Krise« ausnutzen, verlangt Cihan Lacin, der Vertreter der FNV in IJmuiden, auf der Internetseite der Gewerkschaft. »Das wird die Belegschaft auf keinen Fall hinnehmen.« In der Region macht sich jetzt Zukunftsangst breit. Auch wenn das Stahlwerk oft als Dreckschleuder wahrgenommen wird, gibt es vielen in der Gegend doch Lohn und Brot. Jimmy Dijk, der Chef der Socialistische Partij (SP), die im Parlament in Den Haag in der Opposition sitzt, bevorzugt der Nachrichtenagentur ANP zufolge deshalb die radikale Lösung: Verstaatlichung.

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