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Aus: Ausgabe vom 12.04.2025, Seite 4 / Inland
Schutzstatus ade

Länder wollen Wolfsabschuss

Bundesrat fordert Regierung zur Absenkung des Schutzstatus auf EU-Ebene auf
Von Ariane Müller
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In der BRD noch streng geschützt: Wolf – hier im Bayerischen Wald (29.9.2024)

Seitdem der Wolf in den 2000er Jahren auf dem Gebiet der heutigen BRD wieder heimisch wurde – er wurde im 18. Jahrhundert ausgerottet – beherrscht Meister Isegrim die politische Debatte. So nahm am Freitag der Bundesrat einen Antrag der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen an, der die kommende Bundesregierung auffordert, sich für eine Herabstufung des Schutzstatus in der bestehenden Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie einzusetzen, die derzeit noch die Bejagung des Wolfes verbietet.

Die Ländervertretung berief sich bei der Begründung auf die Berner Konvention, einen zwischenstaatlichen Vertrag des Europarats, der sich laut EU die »Erhaltung der wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume in Europa« zum Ziel gesetzt hat. Tatsächlich wurde dort der Schutzstatus des Wolfes im Dezember vom zuständigen EU-Ausschuss von »streng geschützt« auf »geschützt« herabgesetzt. Somit habe auf europäischer Ebene ein Umdenken stattgefunden, heißt es in der Begründung des Bundesrats zur Entschließung.

Im übrigen ruft der Bundesrat die Bundesregierung dazu auf, die notwendigen nationalen Rechtsänderungen vorzubereiten, um den Wolf bundesweit ins Jagdrecht aufnehmen zu können. Zum Abschuss freigegeben werden soll der Wolf, da die steigende Zahl an Tieren insbesondere bei der »Bevölkerung in den ländlichen Räumen zu anhaltenden Sorgen« führe, wie es im Beschluss heißt. Darüber hinaus bestehe – über Zäune und Schutzhunde hinaus – dringend »Handlungsbedarf«. Die Bundesregierung solle Regelungen schaffen, die durch Wölfe verursachten wirtschaftlichen Schäden in der Nutztierhaltung auf ein verträgliches Maß zu begrenzen.

Die Europarats-Entscheidung bedeute nicht, dass die Raubtiere in Deutschland jetzt nicht sofort bejagt werden dürfen, wie dpa am Freitag berichtete. Die Änderung trete drei Monate nach ihrer Annahme in Kraft, sofern nicht ein Drittel der Vertragsparteien Einspruch erhebt. Anschließend könne die EU-Kommission außerdem einen Vorschlag zur Änderung des Schutzstatus des Wolfes im EU-Recht vorlegen. Dieser Vorschlag brauche dann nochmals eine Mehrheit unter den EU-Staaten und eine Mehrheit im Europaparlament. Änderungen an dem Vorhaben seien noch möglich.

Tatsächlich hat der Europäische Gerichtshof am Juli 2024 entschieden, dass der günstige Erhaltungszustand erst vorliegt, wenn flächendeckend Wölfe in dem jeweiligen EU-Mitgliedstaat leben. Deutschland ist noch nicht zu einem Drittel mit Wölfen bevölkert. Auch in Ländern, wo der Wolf nur (noch) geschützt und nicht streng geschützt ist, darf der Wolf nicht bejagt werden, wenn national eben nicht flächendeckend Wölfe vorhanden sind.

In den vergangenen Jahren sind immer wieder Anträge auf Entnahme von sogenannten »Problemwölfen« gestellt worden. Diese sind alle von Gerichten abgeschmettert worden, nachdem Vereine wie der »Freundeskreis freilebender Wölfe« dagegen geklagt hatten. »Wenn mensch von geltendem EU-Recht ausgeht und unter einem ›Problemwolf‹ einen Wolf versteht, der nachweislich empfohlenen Herdenschutz überwunden hat, gibt es in Deutschland derzeit keine ›Problemwölfe‹«, erklärte Antje Oldenburg, die im Naturschutzbund Deutschland aktiv ist und zum Thema Wolf arbeitet, am Freitag gegenüber junge Welt. Die Nutztierhalter müssten erst »wolfsabweisend« gezäunt haben, bevor ein Wolf, der diesen »sicheren« Zaun überwinden sollte, geschossen werden darf. Für solche Zäune und auch für Herdenschutzhunde gibt es in den einzelnen Bundesländern staatliche Subventionen, teilweise bis zu 100 Prozent der Kosten.

Laut dem Bundesamt für Naturschutz leben in Deutschland ungefähr 209 Wolfsrudel, 46 Wolfspaare und 19 Einzelwölfe. Nach Analysen verschiedener Fachleute wäre Platz für 700 bis 1.400 Wolfsterritorien in Deutschland. In Deutschland werden schon jetzt viele Wölfe illegal getötet. Die bekannten zehn Prozent dürften nur die Spitze des Eisberges sein. Immer wieder verschwinden aus unerklärlichen Gründen ganze Wolfsrudel, wie zuletzt das Rudel mit der bundesweit bekannten Wölfin Gloria aus Schermbeck und Wesel in Nordrhein-Westfalen.

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