Pistorius prescht vor
Von Kristian Stemmler
Schon während der Koalitionsverhandlungen hatten Unionspolitiker für die Wiedereinführung der Wehrpflicht getrommelt, nun prescht die SPD mit ihrem Modell vor. Zwar ist in dem Entwurf ein überarbeitetes Modell für den »Neuen Wehrdienst« fixiert worden, dieser basiert aber – zumindest vorerst – auf Freiwilligkeit. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der sein Amt im neuen Kabinett höchstwahrscheinlich behalten darf, warb am Freitag gegenüber dpa dafür. Sein Ministerium gehe davon aus, »dass wir mit einem attraktiven Wehrdienst genügend Freiwillige gewinnen werden«. Das relativierte der Minister aber im selben Atemzug: »Sollte das eines Tages nicht der Fall sein, wird zu entscheiden sein, einzuberufen.« Im März 2011 setzte der Bundestag die Wehrpflicht aus – knapp 55 Jahre nach ihrer Einführung.
Bereits im November hatte Pistorius einen Gesetzentwurf zur Einführung des »Neuen Wehrdienstes« vorgelegt, mit dem vor allem die »Wehrerfassung« forciert und eine »starke personelle Reserve« aufgebaut werden sollte. Nach »schwedischem Vorbild« sollten alle jungen Menschen, die mit Erreichen des 18. Geburtstags »wehrfähig« werden, künftig online einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie etwa nach ihrer körperlichen Fitness und ihrer Bereitschaft zum Wehrdienst gefragt werden. Die Bundeswehr soll die Fragebögen sichten und dann um die 10.000 Männer zur Musterung laden, um ihnen den Wehrdienst schmackhaft zu machen.
Wegen des Zerfalls der Ampelkoalition konnte dieses Vorhaben nicht mehr umgesetzt werden – das soll offenbar jetzt nachgeholt werden. Sein Haus habe in den vergangenen Monaten »weiter an den entsprechenden Grundlagen gearbeitet, so dass die nächsten Schritte gleich nach Bildung der nächsten Regierung folgen können«, erklärte Pistorius. Die Wiederaufnahme von »Wehrerfassung« und »Wehrüberwachung« seien erste geplante Schritte. Ziel sei es, noch in diesem Jahr mit dem »Neuen Wehrdienst« zu beginnen. Für den Anfang werde man »vermutlich rund 5.000 Wehrdienstleistende zusätzlich haben«, so der Politiker. SPD und Union seien sich einig, dass ein »Aufwuchs der Bundeswehr« sichergestellt werden müsse. Damit seien nicht nur die »stehenden Streitkräfte« (rund 180.000 Männer und Frauen) gemeint, »sondern auch die Reserve«. Ein Problem bleibe aber, dass es an Betten, Kasernen, Ausbildern und Material fehle.
»Kritik« an dem Modell kam von Heidi Reichinnek, Kochefin der Fraktion Die Linke im Bundestag. Offenbar sei der Wiedereinstieg in eine allgemeine Wehrpflicht »das klare Ziel« von Union und SPD. Das sei »eindeutig der falsche Weg«. Wenn man die Bundeswehr für Nachwuchs attraktiver machen wolle, müsse man »Auslandseinsätze beenden und die Arbeitsbedingungen verbessern«, so Reichinnek. Dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr war die Freiwilligkeit ein Dorn im Auge. Dabei handele es sich um »ein einfaches Weiter-so« und reiche nicht aus, sagte Verbandspräsident und CDU-Politiker Patrick Sensburg am Donnerstag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Inzwischen habe man nämlich »alle abgeschöpft, die freiwillig zur Bundeswehr wollen«.
Pistorius machte zudem deutlich, dass der Koalitionsvertrag eine »gute Grundlage für die Bundeswehr« sei, der Erfolg sich jedoch in der Regierungspraxis zeigen müsse. Union und SPD haben sich darauf geeinigt, das Genehmigungs- und das Vergaberecht zu vereinfachen – auch bei Bauvorhaben. Militärisches soll in Zukunft oberste Priorität genießen. »Wir brauchen Vorfahrtsregeln für Fragen der nationalen Sicherheit und der Verteidigungsfähigkeit, die es uns erlauben, schneller und unkomplizierter zu bauen«, so der Minister. Die Entscheidung, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) zu stärken und den Geheimdienst mit mehr Befugnissen auszustatten, begrüßte er mit Blick auf die zukünftige Stationierung deutscher Soldaten an der NATO-Außengrenze: »Es geht um erweiterte und neue Befugnisse auch in Regionen, in denen wir bislang nicht waren.«
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