Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 12.04.2025, Seite 8 / Ansichten

Massenkrabbler des Tages: Ameisennachrichten

Von Arnold Schölzel
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Vielleicht einfach nur hungrig: Tapinoma magnum

Wenn einem Redakteur sonst nichts widerfährt, ist das noch immer eine Wildtierstory wert. Vor einigen Jahrzehnten veröffentlichte also Titanic regelmäßig Gesammeltes der deutschen Enten-Polizei: keine Entenfamilie ohne eigenen Streifenwagen. Die Berliner Lokalpresse suhlt sich gerade in Wildschweinstorys: Ganz Lichtenrade (oder Lichterfelde?) ist ein Sauacker, allerdings hat die Frau, die neulich angab, vom Wildschwein angeknabbert worden zu sein, gelogen – war aber mehrere Meldungen wert.

Nun sind die Ameisenmedien auf der großen Krabbel. Viermal alarmierte dpa am Freitag mit »Aggressive Ameise breitet sich in Deutschland aus«. Stimmt zwar nicht, weil sie es vom Südwesten her bisher nur bis zum Limes der Römer schaffte, aber egal. Zuerst titelte die Schwäbische Zeitung am 11. Juli 2024: »Aggressive ›Horror-Ameisen‹ breiten sich auch bei uns explosionsartig aus«. Die »Riesen-Ameise« dringe in Häuser ein, zerstöre Gehwege und Straßen, sorge für Internetausfälle – wie einheimische Verwandte. Aber: »Sie beißen schnell und gerne zu: Riesen-Ameisen namens Tapinoma magnum.« Danach rollte die mediale Ameisenlawine: SWR, 10. September 2024: »Neue Ameisenplage bald in ganz Rheinland-Pfalz?«. FAZ am 26. Januar: »Sorge nach Entdeckung von Drüsenameisen in Darmstadt-Dieburg«. Usw.

Dank dpa brach am Freitag aber der Ameisentsunami über deutsche Redaktionen herein – von Spiegel bis Welt. Erster Satz dort: »In Baden-Württemberg ist seit Monaten ein Spielplatz gesperrt.« Wegen Ameisen? Verzweifelt hatte sich Geo im Juli 2024 der Walze in den Weg geworfen: Die Viecher seien nicht »kurz davor, Deutschland zu übernehmen«, man bat um »verbale Abrüstung«. Keine Chance. Den Tieren geht es wie dem Russen, der blutrünstig vor der Tür steht. Weil nicht nur deutsche Redakteure mal wieder eine Meise haben.

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