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Aus: Ausgabe vom 14.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Letztes Stahlwerk Britanniens

Starmer verstaatlicht Stahlwerk

Rettung für British Steel und Tausende Jobs. Demonstrationszug von Arbeitern in Scunthorpe
Von Dieter Reinisch
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Stahlarbeiter aus Scunthorpe trafen am Sonnabend auf Premier Keir Starmer

Der britische Premierminister, Keir Starmer, kündigte am Wochenende an, das letzte Stahlwerk Englands mit sofortiger Wirkung zu verstaatlichen. Das Unternehmen British Steel ist seit Jahren in einer Krise und war bisher im Besitz chinesischer Eigentümer. Mit der Verstaatlichung soll es vor der Schließung bewahrt, Tausende Arbeitsplätze sollen gesichert und CO2-neutral umgerüstet werden, damit die Klimaschutzziele der Regierung erreicht werden können. In außerordentlichen Sitzungen während der Osterpause des britischen Parlaments stimmten beide Kammern für den Entwurf des Notgesetzes, durch den die Regierung die Kontrolle über das Werk in Scunthorpe in der Grafschaft Lincolnshire übernehmen kann. Damit soll verhindert werden, dass die chinesischen Eigentümer Jingye die Produktion einstellen.

Laut Jingye verliere das Werk aufgrund »schwieriger Marktbedingungen und gestiegener Umweltkosten« täglich 700.000 Pfund Sterling (806.000 Euro). Bei einer Stilllegung wären 3.000 Arbeiter direkt von Kündigungen betroffen – knapp vier Prozent der 80.000 Einwohner. In einer Rede am Freitag sagte Starmer, er werde immer »im nationalen Interesse handeln, um britische Arbeitsplätze und britische Arbeiter zu schützen«. Die Maßnahmen des Regierungsprogramms würden bedeuten, »wir brauchen mehr Stahl, nicht weniger«, so Starmer. Das Hochofenwerk in Scunthorpe ist das letzte in Großbritannien, das aus Eisenerz und Koks Primärstahl produzieren kann.

Während das Parlament den Gesetzentwurf diskutierte, demonstrierten Hunderte Mitarbeiter in Scunthorpe für den Erhalt des Werks. »Wir wollen unseren Stahl zurück!« skandiert die Menge, während vorbeifahrende Autofahrer ihre Solidarität durch Hupen bekunden, berichtete die BBC am Sonnabend. Der 65jährige Dave Palmer sagt gegenüber dem Sender: »Mein Vater und meine Onkel haben im Stahlwerk gearbeitet. Ich auch eine Zeitlang. Dieses Werk ist das Herz von Scunthorpe, verliert man es, verliert man die ganze Stadt. So einfach ist das.« Der Demonstrationszug führte zum Stadion des Fußballklubs Scunthorpe FC, der in seinem Logo einen Eisenbarren zeigt und den Spitznamen »Die Eisernen« trägt. »Das Stahlwerk ist die Identität der ganzen Region«, sagte ein Teilnehmer.

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